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9.11 World Trade Center

HUNT THE BOEING

Die Pentagon-Attacke fand (so nie) statt  |  Als hartnäckigste Verschwörungstheorie in Verbindung mit dem 11. September 2001 erweist sich "Hunt the Boeing", die Behauptung, die Pentagon-Attacke habe nie stattgefunden. Im April 2002 erlebt sie einen neuen Boom. Spiegel / online 10. April 2002 

 

AP

11. September 2001, Pentagon: Erste Fotos nach dem Einschlag zeigten wenig Details und viel Chaos

"Schau dir diese Bilder an", heisst es herausfordernd auf einer Website, deren Adresse seit einigen Wochen die Runde macht, "und versuche, Beweise zur Bekräftigung der offiziellen Version zu finden".

Das schafft man tatsächlich nicht, wenn man den Leitfragen der Website "Hunt the Boeing" folgt: Die bietet nicht mehr als eine Diashow von Fotos, die die Löscharbeiten am Pentagon vom 11. und 12. September 2001 dokumentieren. Da sieht man ein Gebäude, das äusserlich relativ wenige Schäden aufweist. Auf Höhe des ersten Stockes gibt es so etwas wie ein Loch von anscheinend moderater Grösse. Auf später aufgenommenen Bildern sind die Stockwerke darüber kollabiert.

"Kannst du dir erklären", fragt der Verfasser der Website, "warum die Flügel am Gebäude keine Schäden verursachten? Und wo sind Trümmer zu sehen?"

Kaum irgendwo, tatsächlich.

Das ist einer der Umstände, der wahrscheinlich schon Stunden nach den Massenmorden vom 11. September Verschwörungstheoretiker zu wilden Mutmassungen inspirierte. Ja, die Fotos des getroffenen Pentagon zeigen weniger Schäden, als man vermuten würde, wenn eine satt betankte Boeing 757 in ein Gebäude einschlägt. Ja, auf den Fotos sind sehr wenig Trümmer zu sehen.

Aber kann man daraus ableiten, die Attacke auf das Pentagon sei entweder von der amerikanischen Regierung inszeniert worden. Oder aber, zweite These: Die Erklärung, ein Passagierjet sei dort eingeschlagen, solle nur vertuschen, dass es in Wahrheit einen erfolgreichen Bombenanschlag auf das Sicherheits-Nervenzentrum der letzten verbliebenen Supermacht gegeben habe?

Ja, meinen die Betreiber einer wachsenden Anzahl von Webseiten zu diesem Thema, das seit Anfang April neuen Schwung erhalten hat: Da veröffentlichte der französische Autor Thierry Meyssan sein Buch zu diesem Thema, "L'effroyable imposture".

 

 

Rettungsarbeiten: Wo, fragen "Verschwörungstheoretiker", ist hier ein Flugzeug zu sehen?

Meyssan wird deutlicher als seine Webseiten-strickenden "Kollegen", die die offizielle Version der Ereignisse in der Regel nur in Frage stellen: Er behauptet schlicht und einfach, dass es den Flug 077 überhaupt nicht gegeben habe, folglich auch kein Passagierflugzeug ins Pentagon eingeschlagen sei und dass die amerikanische Regierung die Öffentlichkeit belüge. Warum und wozu, darauf bleibt er die Antwort genauso schuldig, wie auf die Frage, wie die Schäden am Pentagon denn nun konkret entstanden seien.

Darauf haben Webseiten wie der "Klassiker" dieser Kategorie, "Hunt the Boeing", eine Antwort: Die Explosion sei durch eine Autobombe verursacht worden - und das wäre allerdings hochgradig peinlich für die Amerikaner. Belegt wird diese Behauptung angeblich durch Meldungen der Nachrichtenagentur Associated Press (AP), die Minuten nach dem Anschlag Entsprechendes berichtet haben soll. Das entspricht nicht den Tatsachen: Zwar meldeten die Agenturen zeitweilig eine Autobombe, allerdings vor dem Aussenministerium. Im Chaos nach den Anschlägen hielt sich diese Falschmeldung mehrere Stunden.

 

 

 

Was ist dran an der Autobomben-These?

"Hunt the Boeing" argumentiert nun vor dem Hintergrund dieser offenkundig falschen Voraussetzung, dass die sichtbaren Schäden am Pentagon denen durch eine Autobombe verursachten viel eher ähnelten, als denen, die man durch einen Einschlag einer Boeing 757 erwarten sollte.

Die Verschwörungstheoretiker verwechseln hier entweder willentlich Aussen- und Verteidigungsministerium, oder aber sitzen selbst einem Irrtum auf, der seine Wurzeln im Nachrichtenchaos der ersten Stunden nach den Angriffen hat. Tatsache ist, dass sich aus den sich überschlagenden Meldungen diverser Nachrichtenagenturen am 11. September zeitweilig bis zu sieben gekidnappte Passagierflugzeuge zusammenzählen liess en. Tatsache ist auch, dass bis zu einem Dementi des Verteidigungsministeriums die Nachricht umging, der bei Pennsylvania abgestürzte Jet sei von einem F-16-Abfangjäger abgeschossen worden. Kurz zusammengefasst: In den ersten Stunden herrschte Chaos, und Gerüchte wurden zeitweilig zu Quellen.

Das stützt Verschwörungstheorien wie "Hunt the Boeing", wie auch die Kommunikationspolitik des Pentagon: Zwar veriss die französische Presse Meyssans Buch, das auf solchen Gerüchteseiten beRuuhht. Immerhin aber, gestand beispielsweise "Le Monde" zu, seien die vom Pentagon bisher veröffentlichten Informationen nicht befriedigend. Zu viele Fragen blieben offen.

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