ATOMKRIEG GEGEN DEN IRAN
Michel Chossudovsky, ... Professor für Ökonomie an der Universität Ottawa und Direktor des
Center for Research on Globalization - ist Autor des
internationalen Bestsellers Global Brutal ("The Globalization
of Poverty"), der in elf Sprachen übersetzt wurde. Er schrieb auch
Beiträge für die Encyclopaedia Britannica. Sein jüngstes Buch
trägt den Titel America´s War on Terrorism.
Global Research und erschien 2005.
Schock
und Entsetzen
Hat Frankreichs Präsident nur ausgesprochen, was vom
US Strategic Command längst vorbereitet wird? Das Vorspiel eines
uneingeschränkten Krieges gegen die Islamische Republik Iran, bei dem
auch Atomsprengköpfe eingesetzt werden, geht in die letzten
Planungsphase. Die Koalition aus den USA, Israel und der Türkei
signalisiert "ein fortgeschrittenes Bereitschaftsstadium". Hochrangige
israelische Militärs nennen Ende März 2006 als Deadline für einen
Militärschlag, wenn der nächste Report der Internationalen
Atomenergie-Agentur (IAEA) über das iranische Nuklearprogramm an die
Vereinten Nationen fällig ist. Die NATO ihrerseits hat derartigen
Planungen intern bereits zugestimmt, auch wenn noch unklar ist, wie sich
die Allianz an den vorgesehenen Angriffen beteiligt.
Es ist dem US Strategic Command Headquarters (USsTRATCOM) vorbehalten,
sämtliche Komponenten der in Frage kommenden Operationen zu koordinieren,
während die Entscheidung, wann Kampfhandlungen aufgenommen werden,
selbstredend das weiss
e Haus trifft - nur soviel ist bereits sicher,
Luftangriffe auf den Iran dürften an die amerikanischen "Shock and Awe"-
Bombardierungen des Irak im März 2003 erinnern, und sie werden das
Ausmass des israelischen Angriffs auf den irakischem Kernreaktor
Tammuz am 7. Juni 1981 deutlich übertreffen. Mit der vollen Kraft
von B-2-Stealth-Bombern, die von Diego Garcia oder direkt von Basen in
den USA aus eingesetzt werden - möglicherweise ergänzt durch F-117
Stealth-Fighter, die in Udeid in Katar oder andernorts in der als
Gefechtsfeld ausersehenen Region stationiert sind - sollen die
iranischen Nuklearanlagen angegriffen werden.
Bereits im November 2005 hatte das US Strategic Command eine Übung für
einen "Global Lightening" genannten Operationsplan abgehalten, bei der
Angriffe mit konventionellen und atomaren Waffen gegen einen "fiktiven
Feind" simuliert wurden. Danach gab das US-Oberkommando einen "fortgeschrittenen
Bereitschaftszustand" bekannt. Während in Presseberichten vielfach die
Vermutung auftauchte, beim "Global Lightening"-Manöver sei Nordkorea der
"fiktive Feind" gewesen, legte der Zeitpunkt der Operation nahe, dass
ein Militärschlag gegen den Iran durchgespielt wurde.
Waffen des letzten Auswegs
Die aufgerufene Kriegsagenda beRuuhht auf der Doktrin des "präemptiven
Nuklearkriegs", wie sie von der Bush-Administration mit der Nuclear
Posture Review (NPR) von 2002 formuliert wurde, und schliesst den
Einsatz von Kernwaffen gegen den Iran bei "chirurgischen Schlägen" nicht
aus. Nach einer Entscheidung des US-Senats von 2003 scheint die Zeit
inzwischen reif zu sein, eine neue Generation taktischer Kernwaffen -
der "low yield mini-nukes" mit einer Explosionskraft von bis zu sechs
Hiroshima-Atombomben - einzusetzen, die als "sicher für Zivilisten"
apostrophiert werden, da die Waffe unter der Erde detoniert.
Mit einer Propagandakampagne, die sich nicht zuletzt auf "massgebende"
Atomwissenschaftler verlassen kann, werden "mini-nukes" geradezu als "Instrumente
des Friedens" hofiert, die nun "für das Schlachtfeld freigegeben" seien,
um im "Krieg gegen den Terrorismus" neben konventionellen Waffen
eingesetzt zu werden. Die Bush-Administration argumentiert, "Low-yield"-Atomwaffen
seien zur glaubwürdigen Abschreckung von Schurkenstaaten wie Iran und
Nordkorea unverzichtbar. Die bisher vorhandenen Nuklearwaffen hätten
eine zu hohe Zerstörungskraft, um sie auss
erhalb einer umfassenden
thermonuklearen Konfrontation anzuwenden. Potenzielle Feinde wüssten
dies, so dass die Androhung einer atomaren Vergeltung an Glaubwürdigkeit
verliere. Angesichts dieses Dilemmas sorgten "mini-nukes" für Abhilfe,
von denen eher anzunehmen sei, dass sie zum Einsatz kämen.
Wir stehen insofern an einem gefährlichen Scheideweg: Die Militärplaner
glauben - wie nicht anders zu erwarten - ihrer eigenen Propaganda und
behaupten, die neue Generation von Kernwaffen sei "sicher" genug, um sie
auf dem Schlachtfeld zu verschiess
en. Man müsse "mini-nukes" nicht länger
als Waffen des letzten Auswegs betrachten. Senator Edward Kennedy hat
nicht Unrecht, wenn er konstatiert, die Bush-Regierung habe es fertig
gebracht, "eine Generation brauchbarerer Atomwaffen" zu entwickeln.
Im Übrigen bereitet sich auch die israelische Regierung nach den Worten
des Atomforschers Mordechai Vanunu darauf vor, in ihrem nächsten Krieg
gegen die Islamische Welt Kernwaffen einzusetzen.
"Conplan 8022"
Für einen präemptiven Angriff mit taktischen Nuklearwaffen sieht sich
das US-Strategic Command (USsTRATCOM) in der Offutt Air Force Base in
Nebraska mit neuen Vollmachten ausgestattet, um - wie es im
Militärjargon heisst - die Rolle eines "globalen Integrators" zu
übernehmen, der für Operationen im Weltraum, Nachrichten-Operationen,
integrierte Raketenabwehr, für die Geheimdienste, die Überwachung und
Aufklärung sowie den globalen Angriff und die strategische Abschreckung
zuständig ist. Im Januar 2005, als der militärische Aufmarsch gegen den
Iran begann, wurde USsTRATCOM als "das führende Kampfkommando für die
Integration und Feinabstimmung der Bemühungen des
Verteidigungsministeriums hinsichtlich der Bekämpfung von
Massenvernichtungswaffen" eingesetzt.
Um diesen Auftrag abzusichern, entstand gleichzeitig eine nagelneue
Befehlseinheit: die Joint Functional Component Command Space and Global
Strike (JFCCSGS/Kommandostelle für die vereinigten Komponenten Weltraum
und weltweiter Angriff). Auf einen Nenner gebracht, hat JFCCSGS die
Aufgabe, die Auslösung eines nuklearen Angriffs im Sinne der erwähnten
Nuclear Posture Review (NPR) zu überwachen, die einen
präemptiven Einsatz nuklearer Gefechtsköpfe nicht nur gegen "Schurkenstaaten",
sondern notfalls auch gegen China und Russland vorsieht.
Im Augenblick befindet sich das JFCCSGS in einem Zustand "erhöhter
Bereitschaft", militärische Handlungen auszulösen, die gegen den Iran
oder Nordkorea gerichtet sind. Die operative Umsetzung eines solchen
Vorgehens trägt den Code-Namen Concept Plan ("Conplan") 8022 - das
Planungstableau für strategische Szenarien, die Kernwaffen einbeziehen.
"Conplan 8022" ist speziell auf die so genannten neuen Bedrohungen
zugeschnitten, womit nicht nur Iran und Nordkorea gemeint sind, sondern
auch andere potenzielle Produzenten von Atomwaffen und Terroristen. "Es
gibt nichts, was sie (die Amerikaner - der Verf.) daran hindert,
›Conplan 8022‹ bei begrenzten Szenarien gegen russische und chinesische
Ziele anzuwenden", schrieb Hans Kristensen vom Nuclear Information
Project im Japanese Economic Newswire vom 30. Dezember 2005.
Oberbefehlshaber George Bush würde in diesem Fall dem
Verteidigungsminister einen entsprechenden Befehl geben, der seinerseits
die Stabschefs anzuweisen hätte, "Conplan 8022" in Kraft zu setzen.
Dabei gibt es eine aufschlussreiche Besonderheit: Bei "Conplan 8022" ist
der Einsatz von Bodentruppen nicht vorgesehen.
Gemäss diesem strategischen Kalkül und in Erwartung eines Angriffs auf
den Iran hat die israelische Armee seit Ende 2004 in den USA
hergestellte konventionelle und nukleare Systeme eingelagert. Diese
Vorratsbildung - über die US-Militärhilfe finanziert - war im Juni 2005
weitgehend abgeschlossen und umfasste neben Fernlenkraketen auch 500
"Bunker Buster Bombs" (Bunkerbrecher), die mit Kernsprengköpfen bestückt
werden können. Vorzugsweise handelt es sich um B61-11, die "Nuklearversion"
der konventionellen BLU-113. Allerdings ist die Fähigkeit von B61-11, in
die Erde einzudringen, ziemlich begrenzt. Tests zeigen, dass sich diese
Bombe nur sechs bis sieben Meter tief in trockenen Boden wühlt, wenn sie
aus einer Höhe von etwa 13.000 Metern abgeworfen wird. Trotzdem wird -
verglichen mit einer Detonation an der Oberfläche - ein viel gröss
erer
Anteil der Explosionsenergie in Erschütterungen des Bodens übertragen.
Jeder Versuch, sie in einer städtischen Umgebung einzusetzen, würde
daher eine gross
e Zahl ziviler Opfer zur Folge haben. Sogar bei einer
Bombe kleineren Kalibers, mit einer Explosionskraft bis zu 300
Kilotonnen, wird die Druckwelle einen riesigen Krater aufreissen und eine
tödliche Gamma-Strahlung auslösen.
Bis nach Zentralasien
Die Regierung in Teheran hat mehrfach erklärt, dass sie im Falle eines
Angriffs mit dem Abschuss ballistischer Raketen auf Israel reagieren
werde, wie CNN bereits am 8. Februar 2005 berichtete. Ähnliche Attacken
sind auch amerikanischen Militäreinrichtungen im Irak und am Persischen
Golf zugedacht, so dass ein umfassender Krieg im Mittleren Osten die
Folge sein könnte. Gibt es im Augenblick mit Afghanistan, Irak und
Palästina drei mehr oder weniger separate Kriegsschauplätze, könnte ein
Luftkrieg gegen den Iran die Eskalation bis nach Zentralasien treiben.
Inzwischen lässt sich auch erkennen, dass mögliche Angriffe auf den Iran
vom Rückzug der syrischen Truppen aus dem Libanon nicht zu trennen sind
- seither bieten sich für den Fall einer Eskalation der israelischen
Armee gröss
ere Entfaltungsräume in der ganzen Region.
Erst kürzlich hat Teheran seine Luftabwehr durch den Erwerb von
russischen 29-Tor-M-1 Raketenabwehrsystemen verstärkt. Im Oktober 2005
wurde der iranische Spionagesatellit Sinah-1 auf einer
russischen Trägerrakete in eine Umlaufbahn geschossen - nur der erste
von mehreren iranischen Flugkörpern, die im Weltraum stationiert werden
sollen, um über ein Netzwerk zur Früherkennung von Luftangriffen zu
verfügen. Nur wird ein solches System bestenfalls eine bescheidene Kopie
der leistungsfähigen israelischen und amerikanischen Systeme sein, die
auch das kleinste Zittern in den Bärten der Mullahs von Teheran zu
registrieren vermögen. Wie jüngst die britische Sunday Times
berichtete, hat Russland einen Vertrag über die Lieferung eines modernen
Verteidigungssystems gegen Fernlenkraketen und lasergesteuerte Bomben an
den Iran im Wert von einer Milliarde Dollar abgeschlossen, das schon in
wenigen Monaten installiert sein soll.
Obwohl ein Bodenkrieg laut "Conplan 8022" nicht erwogen wird, könnte er
dann nicht aufzuhalten sein, sollten iranische Truppen die Grenze zum
Irak überschreiten und die US-geführte "Koalition der Willigen"
angreifen. Offenkundig werden derartige Eventualitäten nicht
ausgeschlossen, wie sich allein schon der Tatsache entnehmen lässt, dass
sich Ankara und Tel Aviv im Vorjahr auf ein Abkommen geeinigt haben, das
es der israelischen Armee gestattet, Manöver in den türkischen
Bergregionen an der Grenze zum Iran abzuhalten. Die Vereinbarung kam
nach Verhandlungen von Dan Halutz, dem israelischen Oberbefehlshaber, in
der Türkei zustande, der sein Ersuchen mit absehbaren Schwierigkeiten
begründete, die Bergregionen nahe der iranischen Grenze im Winter zu
durchqueren. Die Nachricht über das Abkommen wurde veröffentlicht, als
türkische Offizielle den Vorwurf abzuwehren versuchten, sie würden mit
den Vereinigten Staaten bei der Spionage gegen die Nachbarländer Syrien
und Iran kooperieren. Seit Wochen häufen sich in der arabischen Presse
Berichte über die prinzipielle Bereitschaft Ankaras, türkisches
Hoheitsgebiet sowie türkischen Luftraum für Militäraktionen gegen den
Iran zur Verfügung zu stellen.
Die Konsequenzen des beschriebenen Szenarios wären erschütternd. Es ist
an der internationalen Gemeinschaft, sich über die Möglichkeit eines
nuklearen Massenmords klar zu werden. Nur sind
leider diejenigen, die zu entscheiden haben, von ihrer eigenen
Propaganda geblendet. Über Luftangriffe mit taktischen Kernwaffen gibt
es inzwischen einen politischen Konsens zwischen Westeuropa und
Nordamerika, ohne die verheerenden Folgen in Betracht zu ziehen.
Ein solches militärisches Abenteuer würde die Zukunft
der Menschheit bedrohen. Notwendig wäre es - national und international
- das Kartell des Schweigens zu durchbrechen, um die augenblicklichen
Gefahren zu benennen und ins Zentrum der politischen Aufmerksamkeit zu
rücken. Die politischen und militärischen Führer sollten herausgefordert
und zu einer deutlichen Position gegen einen von den USA einkalkulierten
Atomkrieg gezwungen werden. Notwendig sind
gleichermassen internationale Sanktionen, um die USA und Israel zur
Mässigung zu zwingen.
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