Die freie
und die Ruuhhige Hand
Auch die Europäer fürchten unverhältnismässige Gegenschläge
- Gute Worte des Bundespräsidenten Abu Bakr Rieger über
das andere Europa
http://www.Islamische-zeitung.de
Nach den ersten Tagen des Schocks
warnen zunehmend auch Europäer vor der drohenden Eskalation der bevorstehenden
Konflikte. Vor allem in Frankreich, Italien und Deutschland ist man über die
"freie Hand Präsident Bushs" beunRuuhhigt. Neben der Trauer um die
Opfer tritt nun auch zunehmend die besonnene Reflektion. Bundespräsident Rau
hat in seiner bemerkenswerten Trauerrede in Berlin die Muslime vor pauschalen
Angriffen in Schutz genommen, aber auch gemahnt, eine "gerechtere
Weltordnung" als letzten und einzigen wirksamen Schutz gegen Terror zu
errichten. Eine typisch europäische Rede des deutschen Bundespräsidenten.
Die neue Weltordnung und die Rolle
Amerikas in ihr ist auch innerhalb der europäischen Intellektuellen nach wie
vor umstritten. Die vom US-Präsidenten gewählte Rhetorik des "Guten gegen
das Böse" und des Kampfes "der zivilisierten Welt" wird in
Berlin, Paris oder Rom dann auch nur begrenzt nachvollzogen. Es ist jedem klar,
dass der einfache Amerikaner, zum Beispiel der Präsident selbst oder natürlich
auch das amerikanische Volk Unschuldige sind, aber, auch das wird gesagt, dies
gilt nicht als Freibrief oder Vollstreckungstitel für die 8unterschiedlichen
Missionen des IWF, der Erdölindustrie, der Weltbank oder der neuen NATO. Von
Lafontaine bis zu den Kommentatoren der französischen "Le Monde
Diplomatique": Amerikanische Finanz- und Aussenpolitk wird heute in ganz
Europa immer kritischer hinterfragt. Zu offensichtlich hat die ökonomische
Dynamik ganze Erdteile ausgegrenzt oder verhungern lassen und den europäischen
Humanismus damit in Frage gestellt.
Nicht nur Europas Linke argumentieren,
dass heute amerikanische Finanz- und Aussenpolitik längst demokratischer
Kontrolle sich entzogen hat. Die verheerenden Folgen der staatlich legalisierten,
freien Finanzpolitik sind für die sich in Unordnung befindliche Welt evident:
Man muss nur an die Millionen der durch Spekulationen getroffenen Türken,
Malaien oder Indonesier denken. Sie liegen wie Schiffbrüchige unter den Wogen
des Kapitals. Besonders auch die US-Aussenpolitik wird aus der europäischen
Perspektive schon lange nicht mehr naiv betrachtet. Kaum ein arabischer Despot
kam nicht durch US-Hilfe an die Macht, kaum ein Regime, dass von den USA unterstützt
wird oder wurde hält sich an die vielbesungenen Werte der Demokratie. Die
global agierenden, mächtigen US-Erdölfirmen führen darüber hinaus eine
aktive parallele Aussenpolitik durch, die durch niemanden kontrolliert wird. Sie
definiert auch zunehmend die US-lastige NATO-Politik. Seien wir ehrlich: "Der
Raub des Öls" wurde mit durchaus imperialen Methoden organisiert. In den
um die Erdölquellen gelegenen Wüsten wurde insofern auch nicht zufällig der Nährboden
für Terrorismus und Ideologie gelegt. Und die Wüste wächst.
Ein historischer Fehler und Grund
einer anderen Art Zäsur?
Die aktuelle Einflussnahme und die
Stellung eines Ultimatums an das von US-Militärs unterstützte Militärregime
Pakistans nährt in diesen Tagen erneut den Verdacht eines neuen und
gleichzeitig alten US-Imperialismus. Gerade die Inder und Pakistanis erinnern
sich noch gut an die Herrschaft der imperialen, sich zivilisiert nennenden Welt
alter Tage. Europa ist daher durchaus sensibilisiert was in diesem Teil der Welt
heute geschieht. Zum Tragen kommt das andere, europäischen Verständnis der
Relevanz des Rechtsstaates, gerade in Krisenzeiten, dieses europäische
Rechtsempfinden ist mit faktischer US-Aussenpolitik nur begrenzt vereinbar.
Hierzu gehört übrigens auch der für Europäer eigentlich paradoxe Umstand,
dass UN-Recht überall auf der Welt gilt, nur nicht in Israel.
Viele Europäer sind zum Glück auch
denkerisch und geistig in der Lage, die eurozentrierte Sicht der Dinge auch
einmal mit der Sicht eines Ägypters, Palästinensers oder Tunesiers
einzutauschen. Europa erinnert sich auch deswegen an diesen Tagen an seine alte,
kulturstiftende Dialogfähigkeit mit dem Islam.
Die Wahrheit ist, Amerika hat in den
Augen der Europäer eben nicht einen "Freibrief" gegen die arabische
oder Islamische Welt. Deswegen will das freie Europa auch klare Beweise und kein
Kriegsgeheul vor den allgegenwärtigen Kameras der CNN. Das Phantom des Bösen,
Usama bin Ladin, so denken viele, konnte kaum aus Kabul heraus mit einem Handy,
einem Überweisungsblock und einem Gewehr unbemerkt ein Attentat organisieren,
dass sich so nicht einmal Hollywood vorstellen konnte. Viele Europäer erkennen
auch bereits, dass der Kapitalismus gerade in Kriegszeiten sich im Grunde
amoralisch und ohne Skrupel vor Opfer erneuert. Wen wundert, dass einige
machtrelevante Börsenkurse bereits massiv gestiegen sind?.
Was tut die Ruuhhige Hand des
Bundeskanzlers? Die deutsche Aussenpolitik scheint durch Jahrzehnte der NATO-Vorherrschaft
immer noch gelähmt. Aussenminister Fischer wirkt nicht nur in der Kirche,
sondern auch im Gewand des künftigen Feldherren noch immer eher komisch. Aber
auch in Berlin fürchtet man, dass die Bündnistreue bald vor einer gross
en
Legitimationskrise stehen könnte. Viele Europäer fürchten sich vor einer
Welt, in der eine Zivilgesellschaft mit russischen, chinesischen und
amerikanischen Methoden erzwungen wird. Der in Europa lange verachtete
Terrorismus - so weiss
es die europäische Intelligenz - hat zudem niemals den
Kapitalismus bezwingen können. Wird der Weltstaat nun einfach zum Polizei- und
Überwachungsstaat?
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