Der „Karikaturenstreit“ aus Sicht des
österreichischen Rechts
Verteidigung der Meinungsfreiheit oder Pönalisierung der
Herabwürdigung religiöser Lehren? |
von Univ. Doz. Mag. Dr. Adrian Eugen Hollaender
Im sogenannten „Karikaturenstreit“ (betreffend die Veröffentlichung
religiös anstössiger Karikaturen des Propheten Mohammed in Dänemark und
die weltweiten wütenden Reaktionen gläubiger Muslime) ist gerade im Zuge
der österreichischen medialen Diskussion wiederholt behauptet worden, in
Österreich sei im Interesse der Meinungsfreiheit der Abdruck solcher
Karikaturen gestattet und müsse es zur Verteidigung dieses
demokratischen Grundrechts auch sein. Dies ist nicht zutreffend.
/*Gerichtliche Strafbarkeit der Herabwürdigung religiöser Lehren*/
§ 188 Strafgesetzbuch (StGB) stellt die Herabwürdigung religiöser Lehren
unter Strafe. Eine solche Herabwürdigung religiöser Lehren begeht (u.a.),
wer öffentlich eine von einer Religionsgemeinschaft verehrte Person
unter Umständen herabwürdigt oder verspottet, die geeignet sind,
berechtigtes Ärgernis zu erregen.
Mohammed gehört zu den religiös verehrten Personen. Verspotten ist ein
Lächerlichmachen im Sinne eines Verhöhnens. Öffentlich ist, was
unmittelbar von einem gröss
eren Personenkreis wahrgenommen werden kann.
Berechtigtes Ärgernis kann eine Äusserung erregen, wenn sie geeignet ist,
das religiöse Wertgefühl eines durchschnittlich gläubigen Menschen zu
verletzen. Damit sind alle Tatbildmerkmale im Fall der Mohammed-Karikaturen
erfüllt. In Österreich wären sie daher nicht erlaubt, sondern
gerichtlich strafbar.
Ja selbst die Wiedergabe in einem österreichischen Medium, sei es auch
nur als Bericht mit Bildnachweis, könnte (nach der sogenannten
„Zitatenjudikatur“) Strafbarkeit begründen.
/*Rechtfertigung durch Kunstfreiheit?*/
Kann nun das in Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention
normierte Grundrecht auf freie Meinungsäusserung oder die in Artikel 17a
Staatsgrundgesetz normierte Kunstfreiheit einen Rechtfertigungsgrund
abgeben? Oder, wie andere meinen, die Tatbestandsauslegung beeinflussen
und solcherart den Anwendungsbereich des § 188 StGB einschränken?
So wird nach diesem Ansatz etwa gemeint, dass religionskritische
künstlerische Darbietungen nur eingeschränkt als Herabwürdigung oder
Verspottung verstanden werden dürften, denn wenn der künstlerische
Gehalt im Vordergrund stehe, trete die verspottende Tendenz zurück und
der Tatbestand der Herabwürdigung religiöser Lehren sei somit nicht
verwirklicht (sogenannte „teleologische Reduktion“ des Tatbestands).
Gleich ob als Tatbestandseinschränkungsgrund oder als
Rechtfertigungsgrund betrachtet, die Kunstfreiheit diente demnach als
eine Art verfassungsrechtlicher Dispens für die Herabwürdigung
religiöser Lehren.
Doch diese Meinung ist jedenfalls in Bezug auf Karikaturen nicht
richtig: Die Verspottung einer religiös verehrten Person in einer Weise,
die geeignet ist, berechtigtes Ärgernis auch bei religiös
durchschnittlich gläubigen Menschen zu erregen, ist und bleibt
tatbildlich. Das gilt freilich nicht nur für den Prohepten Mohammed,
sondern – selbstverständlich – für Jesus Christus, Moses, Abraham und
andere religiös verehrte Persönlichkeiten bzw. Symbole.
Die Meinungsfreiheit wird also von der österreichischen Rechtsordnung –
im Gegensatz zur mitunter kolportierten Meinung – nicht grenzenlos
verteidigt und dies ist, jedenfalls soweit es um die Respektierung
religiöser Persönlichkeiten und Symbole geht, auch gut so. Hoffen wir,
dass wir das Verbot der Herabwürdigung religiöser Lehren noch länger im
Rechtsbestand haben werden und dass die Strafbestimmung
erforderlichenfalls auch weiterhin angewendet wird. Der Europäische
Gerichtshof für Menschenrechte hat jedenfalls in der legendären Causa
„Das Liebeskonzil“ eine Verletzung der Menschenrechtskonvention durch
das rechtliche Vorgehen in Österreich gegen dieses – religiös verehrte
Persönlichkeiten des Christentums herabwürdigende – Werk letztlich
verneint. Und dies zu Recht, denn es gibt auch (und gerade) unter dem
Gesichtspunkt der Menschenrechte und Grundfreiheiten Grenzen der
Meinungsäusserungsfreiheit und es muss solche Grenzen auch geben.
Freilich, nicht jede Darstellung, die in Konflikt mit religiösen Werten
gerät, ist unzulässig: Wer etwa keinen Vorsatz auf Herabwürdigung
religiöser Lehren hat, erfüllt den subjektiven Tatbestand nicht. Aber
das hängt eben nur vom Vorsatz ab. Wer also nicht verspotten oder
herabsetzen will und das auch nicht (mit sogenanntem bedingten Vorsatz)
billigend in Kauf nimmt, der ist nicht strafbar. Und wer eine sachliche
Religionskritik übt, ist natürlich auch nicht strafbar, da er gar nicht
erst das Tatbild erfüllt. Aber Kritik ist Kritik und Verspottung ist
Verspottung. Ersteres ist in einem demokratischen Staat ein Ausfluss des
Grundrechts der Meinungsäusserungsfreiheit. Zweiteres wäre ein Missbrauch
derselben.
/*Dr. Adrian Eugen Hollaender*
ist Mitverfasser der Standardwerke „Strafprozessordnung“ und „Strafgesetzbuch“
in der von Generalanwalt Prof. Dr. Mayerhofer herausgegebenen
kommentierten Judikatursammlungsreihe „Das österreichische Strafrecht“
sowie Universitätsdozent für Europarecht / Europäische
Menschenrechtskonvention an der Universität Klausenburg und an der
International University Vienna, sowie auss
erdem Autor zahlreicher
wissenschaftlicher Publikationen zum österreichischen Straf- und
Verfassungsrecht.
Jüngst erschienen ist beim Neuen Wissenschaftlichen Verlag in der Reihe
Neue Juristische Monografien (Bd. 34) das Werk *Grundrechte und
Verfassungsprinzipien im österreichischen Strafprozessrecht – Wege zur
Gerechtigkeit ?*/
Autor:
Univ.-Doz. Mag. Dr. Adrian Eugen HOLLAENDER |