Ein befangener Richter
Tuesday,
08 April 2008
Kurzinterview mit dem Vater von Mona Salem-Ahmed
von der Gegeninformationsinitiative Aug und Ohr:
Interview mit dem Vater von Mona Salem-Ahmed, Ahmed Salem-Ahmed:
AuO: Ich möchte Sie gerne fragen, wie ist Ihre Meinung zu diesem
Prozess, zu dieser Verhandlung, in einem Satz?
MSA: Ein rein politischer Prozess!
AuO: Und was denken Sie über das Verhalten, die Vorgangsweise des
Richters?
MSA: Wie gesagt, er ist sehr, sehr politisch motiviert. In
Zusammenfassung kann ich sagen: Österreich braucht Terroristen
zurzeit, dass sie den ganzen Staat überwachen können.
AuO: Hatten Sie schon Möglichkeit, mit dem Richter zu sprechen?
MSA: Wir haben öfter gesprochen, ich erinnere mich an das erste Mal,
als ich mit ihm gesprochen habe. Er fragt mich, was mein
Geburtsdatum ist, und ich habe gesagt: 9. 5. 1948. Er sagt: Aha! Das
ist das Jahr der Gründung Israels! - Ich habe nicht verstanden, was
er meint.
AuO. Wie hat er im Gesicht dazu ausgesehen?
MSA: Lächeln.
http://www.antiimperialista.org/index.php?option=com_content&task=view&id=5614&Itemid=236
Ein Schicksalstag für die Meinungsfreiheit
Monday, 07 April 2008
Gastkommentar von Gerhard Drexler
Der 12. März ist historisch gesehen ein Schicksalstag für
Österreich, denn am 12. März 1938 marschierten die Truppen des
Deutschen Reiches in Österreich ein, was zur zeitweiligen
Auslöschung des unabhängigen Österreich führte. Doch seit dem 12.
März 2008 erhält dieser Tag noch eine weitere Bedeutung, denn er
wird künftig auch damit in Zusammenhang gebracht werden müssen, dass
ab diesem Tag politische Gesinnung in Österreich wieder strafbar
ist. Entsprechend eines von einem Zuhörer wörtlich mitgeschriebenen
Zitates sagte Richter Norbert Gerstberger: „Die Gesinnung ist sehr
wohl Gegenstand des Prozesses", und genau diese Gesinnung brachte
dem Erstangeklagten Mohammed Mahmoud 4 Jahre und der
Zweitangeklagten Mona Salem Ahmed 22 Monate Kerker ein. Zur Tragik
des 12. März 1938 gesellt sich also der 12. März 2008 als Groteske
dazu.
Ich spreche hier vom sogenannten Terroristenprozess in Wien, einem
Prozess, dem von den linken bzw. marxistischen Gruppen in Wien (mit
Ausnahme der Antiimperialistischen Koordination, die den gesamten
Prozess gleich mit mehreren Zusehern beobachtete und den beiden von
Werner Pirker in der jungen Welt erschienen Artikel über diesen
Prozess und einem Kurzkommentar auf der Homepage der LSR) zu Unrecht
keine Beachtung geschenkt wurde, ging es doch bei diesem Prozess
nicht bloss um ein angeklagtes muslimisches Ehepaar, sondern es ging,
abgesehen von den von der Polizei angewendeten Überwachungsmethoden,
generell um die Freiheit der politischen Meinung, und das betrifft
in Wirklichkeit alle Menschen, die mit der herrschenden
kapitalistischen/imperialistischen Ordnung nicht übereinstimmen.
Bereits im Spätsommer 2007 wollte der politisch weit rechts stehende
österreichische Innenminister die Internetüberwachung nach dem
Muster des deutschen „Bundestrojaners“ auch in Österreich einführen,
und stiess dabei mehrheitlich auf Ablehnung. Wer will schon der
Polizei Einblick in all die höchstpersönlichen Dinge zugestehen, die
da im Laufe der Zeit auf der Festplatte zusammenkommen! Also
bedurfte es eines Ereignisses, mit dem man der Bevölkerung Angst
einjagen konnte, und das fand man im Ehepaar Mahmoud, das – nach
eigener Aussage des Erstangeklagten vor Gericht – die einseitige
Berichterstattung der österreichischen Medien über den Krieg im
Nahen Osten durch die Übersetzung von Nachrichten bzw. von Websites
aus dem arabischen Raum ausgleichen wollte, und bei der Auswahl der
arabischen Websites waren sie – zugegeben - nicht allzu zimperlich.
Beide sind strenggläubige Muslime und sympathisieren mit dem
Widerstand gegen die von den USA und ihren Verbündeten geführten
Kriege im Nahen Osten, lehnen aber, und das betonte der
Erstangeklagte in der Verhandlung am 6. März ausdrücklich, Aktionen
gegen Unbeteiligte als unIslamisch ab, denn nach der Lehre des Islam
dürfe man jemanden nicht für etwas verantwortlich machen was dieser
nicht getan hat.
Gleich nach der Festnahme von Mohammed Mahmoud (in der Folge kurz
als MM bezeichnet), seiner Frau Mona Salem Ahmed und eines Freundes
von Mohammed jubelte Minister Platter in einem Fernsehbeitrag auf
ORF 2 und erklärte, jetzt habe man endlich den Beweis für die
Notwendigkeit der Internetüberwachung, und in den folgenden Tage
wurde MM von der Presse gleich zum Superterroristen hochstilisiert,
eine Zeitung titelte sogar damit, dass MM der Chef der Al Qaida in
Mitteleuropa sei. Mit der Zeit kehrte allerdings wieder mehr
Objektivität ein, die Suppe wurde zusehends dünner, einer der drei
Festgenommenen musste schliess
lich freigelassen werden und bei MM
wurde alles mehr und mehr auf das Vorhandensein einer unbefriedigten
Geltungssucht eines Jugendlichen zurückgenommen, den gefährlichen
Terroristen glaubte ihm eigentlich niemand mehr wirklich, nur die
Polizei hielt daran fest, schliess
lich konnte man ja den
Innenminister nicht im Regen stehen lassen, und natürlich auch die
wiener antinationale Szene, der alles, was sich gegen den US
Imperialismus wendet, seit jeher ein Dorn im Auge ist!
Um es gleich vorweg zu nehmen: Ich habe mit der Islamischen
Gedankenwelt des angeklagten Ehepaares nichts gemeinsam; ich bin
Marxist und als solchem ist für mich jede Art von Religion – ich
betone ausdrücklich: jede Religion – Opium für das Volk; doch wenn
jemand an einen Gott – an welchen auch immer - glauben will dann
soll er. Als Marxist stehe ich allerdings immer auf der Seite der
Unterdrückten, und deshalb ist für mich der Kampf gegen die
Unterdrücker ein gerechter Kampf, allerdings nur so lange als er
sich gegen die Unterdrücker selbst und gegen die mit ihnen
verbundenen Kollaborateure richtet. In diesem Punkt, und nur in
diesem, stimme ich also mit dem angeklagten Ehepaar überein. Darüber
hinaus vertrete ich die Meinung, dass jeder Mensch in Österreich
einen fairen Prozess erhalten muss, und dass die Meinungsfreiheit
unantastbar ist.
Schon im Vorfeld des Prozesses wurde von der Polizei angegeben eng
mit ausländischen Geheimdiensten zusammenzuarbeiten, angegeben
wurden der amerikanische Geheimdienst, der deutsche, der israelische
und der kanadische. Ausschlaggebend sollen Hinweise des US
Geheimdienstes gewesen sein, also des Geheimdienstes der Nation, der
die mangelnde Begeisterung Österreichs für den von den USA
propagierten „Krieg gegen den Terror“ schon seit langem ein Dorn im
Auge war. Beim Prozess selbst wurde dann auch extra ein „Experte“
aus Deutschland eingeflogen.
Vom 3. bis zum 12. März 2008 kam es dann zum Prozess. Behauptete
Staatsanwalt Dr. Michael Klackl anfangs noch es handle sich
keineswegs um einen politischen Prozess, so wurde er vom
Vorsitzenden, Richter Norbert Gerstberger, während der Verhandlung
gleich mehrfach eines besseren belehrt, denn der Vorsitzende liess
keine Gelegenheit aus, seine persönliche politische Meinung ex
kathedra zu verkünden und der Meinung sowohl des Erstangeklagten als
auch von Zeugen entgegen zu stellen. So korrigierte er
beispielsweise die Aussage, der Irak sei von den USA besetzt worden
durch die Feststellung, im Irak habe es einen Regimewechsel unter
Mithilfe der Amerikaner gegeben, und Richter Gerstberger liess auch
in einer Reihe weiterer Bemerkungen keinen Zweifel an seiner
Überzeugung, der Irakkrieg habe zu Freiheit und Demokratie im Irak
geführt. So herrschte er beispielsweise den Zeugen W.L. bei seiner
Aussage, er habe zusammen mit MM gegen den Krieg und die Besatzung
im Irak demonstriert, da der vom Volk geleistete Widerstand auch
nach dem Völkerrecht legitim sei, an: "Im Irak hat ein
Unrechtsregime geherrscht. Mit diesem Krieg wurde das Volk von
Unterdrückung, Not und Elend befreit“. Als W.L. auf seiner Meinung,
der Widerstand in Irak, Palästina und Afghanistan sei legitim und
werde auch von ihm befürwortet, beharrte, drohte Richter Gerstberger
mit den Worten: "Schon eine diesbezügliche Gesinnung eines politisch
engagierten Menschen bewegt sich in einem sicherheitsgefährdenden
Bereich". (Alle Aussagen laut Mitschrift eines Prozessbeobachters).
Deutlicher geht es wohl nicht mehr!
Damit wird natürlich automatisch der Kampf des irakischen Volkes
gegen die illegale Besatzung nicht zu einem legitimen
Befreiungskampf, sondern zu einem Akt des Terrorismus, und wegen der
– angeblichen – Mitgliedschaft in einer terroristischen Organisation
waren die beiden ja auch angeklagt! Somit dienten die politischen
Ansichten der beiden Angeklagten auch gleich zur Untermauerung der
Anklage. Wenn also die politische Meinung eines Menschen ein Indiz
dafür sein soll, ob dieser eine Straftat begangen hat oder nicht,
ist es nur noch ein kleiner Schritt dahin, die Meinung selbst unter
Strafe zu stellen. Dazu kommt dann eine weitere „Interpretation“ des
§ 278b des StGB durch die Anklage, die unter anderem auch auf
Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung lautete, denn
nach Auffassung von Staatsanwalt Klackl ist dazu nicht mehr die
Planung und/oder Ausführung terroristischer Aktionen nötig, sondern
es genügt bereits die „propagandistische Aufbereitung des
Nährbodens“, wobei offen bleibt wie weit der Begriff „Nährboden“ zu
fassen ist. Eine sehr zweifelhafte Interpretation. (vergl.
„Damoklesschwert für den Widerstand“ von Sebastian Baryli http://www.antiimperialista.org/index.php?option=com_content&task=view&id=5555&Itemid=82).
Bereits am ersten Prozesstag war eine gewisse Voreingenommenheit
gegen das angeklagte Ehepaar spürbar. Das begann damit, dass der
Richter die Zweitangeklgte Mona Salem Ahmed deshalb von der
persönlichen Teilnahme am Prozess (obwohl die Identität der
Zweitangeklagten einwandfrei festgestellt war) ausschloss, weil sie
als strenggläubige Muslimin einen Gesichtsschleier trug, wobei Mona
Salem Ahmeds Ausschluss sogar von Experten als ungerechtfertigt
angesehen wird. Am letzten Prozesstag dann der Eklat, als Mona Salem
Ahmed, nach wie vor mit Gesichtsschleier, eine Stellungnahme
verlesen wollte und Richter Gerstberger feststellte, dass eine
Angeklagte mit einem „Fetzen vor dem Gesicht“ (wörtliches Zitat des
Richters!) schwer verständlich sei und sie neuerlich aus dem Saal
wies.
Hier soll nicht näher auf die höchst umstrittene Art der Ermittlung
eingegangen werden, dazu existiert ein ausgezeichneter Aufsatz
„Konstruktion und Dekonstruktion eines Terroristen“ von Hans G.
Zeger, Obmann der ARGE Daten - Österreichische Gesellschaft für
Datenschutz ftp://ftp.freenet.at/int/prozess+ueberwachung.pdf,
sondern es sollen nur einige Aussagen von Beamten des Bundesamtes
für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung-Österreich und des
Rechtsschutzbeauftragten des Justizministeriums hinterfragt werden,
die uns allen zu denken geben sollten. Da argumentiert
beispielsweise der Beamte des Bundesamtes für Verfassungsschutz und
Terrorismusbekämpfung-Österreich in etwa folgender Weise: Hier ist
ein Datenstück, da ein anderes, und hier schliess
lich noch ein
weiteres. Es ist plausibel, dass diese Datenstücke in der und der
Weise zusammenhängen und das von uns dargestellte Bild ergeben, und
weil das so schön plausibel ist stimmt es auch! In einem reinen
Indizienprozess, und um einen solchen handelt es sich hier, darf es
doch nicht bloss um Plausibilität gehen. Nein, als Beweis kann etwas
erst dann herangezogen werden, wenn mit an Sicherheit grenzender
Wahrscheinlichkeit die Datenstücke nur so und keineswegs in
irgendeiner anderen Weise zusammenhängen können. MM bestritt den vom
Beamten des Bundesamtes für Verfassungsschutz und
Terrorismusbekämpfung-Österreich als plausibel dargestellten
Datenzusammenhang und meinte, so könne es gar nicht gewesen sein, da
... ein Zeitraum von 60 Sekunden kommt ins Spiel, ein Proxyserver,
der automatisch den Datenfluss stark verlangsamt, und, und ... Der
Beamte des Bundesamtes für Verfassungsschutz und
Terrorismusbekämpfung-Österreich kontert, es würde schon eine
Möglichkeit geben, das doch irgendwie zu umgehen ... würde! ...
könnte! Als stichhaltigen Beweis in einem reinen Indizienprozess
kann man so etwas wirklich nicht ansehen. Nicht nur die Zuhörer,
auch das Gericht, die Geschworenen und auch der Verteidiger sind
selbstverständlich keine Datenfachleute und deshalb überfordert. Der
Richter, der vorher noch tausende Seiten elektronischer Überwachung
als unverständlich kommentiert hat meint auf einmal, die
Geschworenen sollen dieses Material der "freien Beweiswürdigung"
unterziehen. Ja wie denn, wenn mit diesem Datenmaterial schon das
Gericht selbst überfordert war! Alles wird einfach nur mehr zu einer
Frage des Glaubens, und dreimal darf geraten werden wem letztendlich
geglaubt wurde.
Den Vogel schoss aber der Rechtsschutzbeauftragte des
Justizministeriums ab, als er auf Vorhaltungen des Anwaltes, er
hätte diese Art der Computerüberwachung genehmigt obwohl sie noch
gar nicht gesetzlich erlaubt gewesen sei, sinngemäss Folgendes
antwortete: Nachdem man den Bildschirm von MM‘s PC nicht mit einer
Videokamera (was durch den genehmigten gross
en Lauschangriff gedeckt
gewesen wäre!) beobachten konnte, denn das wäre in der Enge des
Zimmers sofort aufgefallen, hat man sich eben zu der angewendeten
Methode entschlossen. Mit einer Angriffssoftware wurden der
Bildschirm (mittels screenshots) und die Tastatur in Echtzeit
überwacht; dazwischen liegende Mausbewegungen konnten nicht erfasst
werden. Diese Methode sei auch im Hinblick auf das zu erwartende (!)
Gesetz über die Zulässigkeit von Festplattenuntersuchungen
akzeptabel gewesen, und auf den Vorhalt des Verteidigers, diese
Methode sei dennoch zu diesem Zeitpunkt gesetzlich nicht gedeckt
gewesen kam prompt die Gegenfrage des Rechtsschutzbeauftragten: „Ja
wie hätten wir es denn sonst machen sollen?“ Also da ist es nicht
nur mir kalt über den Rücken gelaufen! Im Hinblick auf ein künftig
zu erwartendes Gesetz wird einfach schon jetzt ein Vorgriff auf
dieses noch nicht bestehende Gesetz gemacht, und so etwas sagt der
Rechtsschutzbeauftragte (!) des Justizministeriums!
Wirklich teuflisch sind die im Falle des MM angewendeten „screenshots“,
die weit über eine in diesem Falle bei chello sowieso installierte
Telekommunikationsüberwachung hinausgehen, bei der nur tatsächlich
ein- und ausgehende Gespräche bzw. Mails erfasst werden. Hier wird
hingegen in einem gewissen Zeitraum, im Falle von MM alle 60
Sekunden, alles, was zu diesem Zeitraum auf dem Bildschirm steht,
kopiert und als späteres Beweismaterial an die Polizei geschickt.
Ich betone alles, also unabhängig davon, ob das Kopierte tatsächlich
jemals vom Verfasser so weitergeleitet wird oder ob es sich bloss um
momentan formulierte Gedanken handelt, die schon in der nächsten
Minute verworfen und durch andere Formulierungen ersetzt werden,
also Sätze, die nie für die Weitergabe bestimmt waren, ja oft nicht
einmal temporär abgespeichert werden. Wenn man bedenkt, wie oft man
im Zuge der Abfassung eines Artikels sowohl die Gedankenabfolge als
auch die einzelnen Formulierungen korrigiert, dann wieder verwirft,
verbessert und neuerlich ändert, kann man ermessen was das heisst,
wenn jede irgendwann am Bildschirm sichtbar gewesene Formulierung
später als gleichberechtigtes Beweismittel bei Gericht aufscheint
und sich die Polizei aus der Überfülle des gespeicherten
Datenmaterials dann die Version zusammenbasteln kann, die ihr am
besten in den Kram passt!
Auffallend die Art, wie Richter Gerstberger die Stimmung der
Geschworenen „lenkte“. Als die von der Anklage aufgebotenen Zeugen,
die Beamten des Bundesamtes für Verfassungsschutz und der Beamte der
Sondereinheit viele Zuseher und anscheinend auch etliche der
Geschworenen nicht wirklich überzeugen konnten und sich Sympathie
für den Angeklagten und dessen Rechtfertigung erkennen liess und
Zweifel sowohl am Zustandekommen als auch an der tatsächlichen
Gefährlichkeit des sogenannten Drohvideos aufkam liess Richter
Norbert Gerstberger auf der Festplatte von Mona Salem gefundene
Hinrichtungsvideos (Geiselhinrichtungen durch Mujaheddin-Gruppen) im
Saal vorzeigen. Zur Erläuterung: Auf diese Videos war MM zufällig
beim Surfen im Internet geraten. Weder an der Herstellung noch an
der Verbreitung dieser im Internet kursierenden Videos hatte das
angeklagte Ehepaar irgendeinen Anteil, auch wurden die
heruntergeladenen Videos in keiner Weise irgendwie weiterverwendet;
sie wurden einfach abgespeichert, so wie jeder von uns bisweilen
Daten abspeichert und einfach liegen lässt! Diese Daten waren,
objektiv betrachtet, für den Prozess irrelevant. Nicht so für den
Richter, der sein Vorgehen damit begründete den Geschworenen vor
Augen führen zu wollen was so alles auf der Festplatte von Mona
Salem liegt, egal, wie die Daten dorthin gekommen sind (MM hat
ausgesagt er habe sie Mona geschickt) noch wie sie selbst dazu
steht, ganz zu schweigen davon, dass diese Daten nie in irgendeiner
Form verwendet wurden!
Das Video war schockierend und die Stimmung unter den Geschworenen
schlug um, was deutlich an deren Mienen sichtbar wurde. Als dann MM
aufbrauste und sagte, der Richter solle aber dann auch die anderen
auf der Festplatte vorhandenen Videos, beispielsweise die von Abu
Graib, zeigen, damit sich die Geschworenen ein wirklich objektives
Bild machen können wurde das vom Richter damit abgelehnt, dass das
nicht prozessrelevant sei! Wieso ist eigentlich das
Hinrichtungsvideo schon und sind die anderen nicht prozessrelevant?
Die Frage der Stimmungsmache gegen die Angeklagten stand zumindest
ab diesem Zeitpunkt deutlich im Raum, das wurde nicht nur von mir so
empfunden. In diesem Zusammenhang fiel noch eines auf: der
Dolmetscher für arabische Texte war immer während des ganzen
Prozesses anwesend, nur einmal, eben vor der Vorführung dieses
Hinrichtungsvideos, wurde der Dolmetscher auf einmal nicht mehr
gebraucht und entlassen! Dazu muss man wissen, dass auf dem Video
vor der eigentlichen Enthauptung des US Soldaten eine endloslange
Rede – selbstverständlich in Arabisch – verlesen wurde. Es hätte ja
sein können, dass irgendschemand von der Geschworenenbank wissen hätte
wollen, was denn da vorher verlesen wurde, und da wäre plötzlich
kein Dolmetsch mehr da gewesen?! Zum Glück für das Gericht kam aber
niemand auf diesen Gedanken, wie man überhaupt während des ganzen
Prozesses den Eindruck hatte die Geschworenen, die ja eigentlich die
Aufgabe gehabt hätten diese ganze „Beweiskette“ vor einem Urteil
auch kritisch zu hinterfragen, machen es sich wirklich leicht, zu
leicht! Im Zuschauerbereich Anwesende mit Arabischkenntnissen
erklärten mir dann auf meine diesbezügliche Frage, dass alle
Verbrechen, die dieser amerikanische Soldat verübt hat, Morde an
Zivilisten, auch an Kindern, Vergewaltigungen etc. vor der
Hinrichtung noch einmal aufgezählt wurden; es war eine lange Liste.
Das Urteil selbst fiel dann niederschmetternd aus! 4 Jahre Haft für
MM und 22 Monate unbedingt für Mona Salem Ahmed, wobei bei beiden
als erschwerend gewertet wurde, dass sie auch während des Prozesses
zu ihrer Überzeugung standen. Wie eben Richter Norbert Gerstberger
sagte: „Die Gesinnung ist sehr wohl Gegenstand des Prozesses". Dabei
wurde Mona Salem Ahmed - konkret - von der Anklage einzig zur Last
gelegt, dass sie im Internet frei kursierende Texte von
Widerstandsgruppen aus dem Arabischen ins Deutsche und Englische
übersetzt hat und das auch nur deshalb, weil sie besser Deutsch und
Englisch kann als ihr Mann. Aber wenn man strenggläubige Muslimin
ist, noch dazu mit einem „Fetzen vor dem Gesicht“, und noch dazu
eine antiimperialistische Gesinnung hat und zu dieser auch vor
Gericht steht, was will man da noch? Ab in den Knast!
Als Marxist (Kommunist oder Trotzkist) kann man sich nach diesem
Prozess natürlich fragen, was habe ich mit all dem zu tun? Hier
handelt es sich doch um „Islamisten“, mit denen ich nichts am Hut
habe, schliess
lich bin ich doch Marxist! Ich kann mir aber auch die
Frage stellen, wie würde es mir, nach diesem Urteil, als aufrechten
Marxisten ergehen, wenn ich vor diesem Gericht stehen würde? Als
jemand, der diese kapitalistische/imperialistische
Gesellschaftsordnung als ungerecht ablehnt und sich für den Sturz
dieser Gesellschaftsordnung ausspricht? Als jemand, der nach wie vor
den Sozialismus für die bessere gesellschaftliche Alternative hält
und darüber einen regen Gedankenaustausch – auch über das Internet –
mit anderen Gleichgesinnten hält, und der bisweilen auch selbst
Artikel zu diesem Thema schreibt und sie ins Internet stellt oder
zumindest Artikel von anderen zu diesem Thema übersetzt? Nach diesem
Prozess kann man, ebenso wie das Ehepaar Mahmoud, als Mitglied einer
terroristischen Vereinigung angeklagt und, wenn man noch dazu nicht
seinen Gedanken vor Gericht abschwört, sondern weiterhin fest zu
seiner Überzeugung steht, gleich für mehrere Jahre in den Knast
geschickt werden! Abwegiger Gedanke? Erinnern wir uns doch daran,
was Richter Gerstberger dem Zeugen W.L. gesagt hat, nachdem dieser
auf seiner politischen Meinung, der Widerstand im Irak sei legitim,
beharrte!
An diesem 12. März 2008 ist in Österreich ein Damm gebrochen!
Gerhard Drexler
Wien, am 27. März 2008
http://www.antiimperialista.org/index.php?option=com_content&task=view&id=5611&Itemid=236
Vor Gericht steht die Meinungsfreiheit
Thursday, 20 March 2008
Interview mit Dr. Hans Zeger (ARGE Daten), 13. März 2008, Wien
von Magda M. El-Sehity
Kritische Beobachter des in Wien geführten so genannten
Islamistenprozesses sehen die Meinungsfreiheit durch den Prozess
gefährdet. Den seit Mittwoch zu vier Jahren Haft verurteilten
Hauptangeklagten Mohammed M. und seiner zu 22 Monaten verhafteten
Frau Mona S. wird vorgeworfen Texte der Globalen Islamischen
Medienfront gesammelt und übersetzt zu haben.
Ein weiterer Anklagepunkt ist die Mitgliedschaft in einer
‚terroristischen Vereinigung’. Aber was eine terroristische
Vereinigung eigentlich ist und wie man dessen Mitgliedschaft
nachweisen kann ist auch nach Richter Norbert Gerstberger vage
formuliert. Nach dem Gesetz gibt es sehr viel Spielraum für
Interpretation.
Durch die geringe Beweisführung und die noch nicht rechtlich
abgesicherte Internetüberwachung wird die Gerichtsbarkeit in Frage
gestellt. Die Grenze zur Meinungszensur wird in diesem Prozess als
sehr dünn gesehen.
In diesem Kontext haben wir den angesehenen
Datenrechtsschutzexperten Dr. Hans Zeger (Österreichische
Gesellschaft für Datenschutz) zu einer Einschätzung eingeladen.
Als Datenschutzexperte stellt sich die Frage wie Sie den Prozess
wahrnehmen?
Zeger: Mit diesem Verfahren begibt sich eine demokratische
Gesellschaft in ein äusserst gefährliches Fahrwasser:
Meinungsäusserung, oppositionelle Kritik, Propaganda und Information
werden unter polizeilichen und sicherheitspolitischen Blickwinkel
betrachtet, die Grenze zur Meinungszensur beginnt zu verschwimmen.
Wie sehen Sie die Anklage gegen Mona S. die wegen
Übersetzungstätigkeiten verurteilt wurde?
Z: Besonders problematisch war die Vorgangsweise bei der
Zweitangeklagten, der am Ende nur Übersetzungstätigkeiten von im
Internet frei verfügbaren Texten vorgeworfen wurde. Es konnte nicht
einmal eine Beauftragung durch Dritte (abgesehen durch ihren Mann)
ordentlich nachgewiesen werden
War der Aufwand der Internetüberwachung durch den Prozess
gerechtfertigt?
Technisch gesehen wurde mit gigantischen Aufwand
Überwachungsmassnahmen gesetzt, die zum Teil durch derzeitige - schon
sehr weitreichende Gesetze - nicht gedeckt sind, die im Ergebnis
jedoch bloss Datensplitter lieferten, ohne tatsächlichen kausalen
Zusammenhängen, es wurden bloss Plausibilitätsketten
geschaffen. Damit wurde eine Art Datennebel geschaffen, "an dem
schon was dran sein wird". Es kam zu einer Vermischung in der
Darstellung privater und persönlicher Meinungsäusserung (Chat, eMail)
mit öffentlichen Äusserungen (Webpublikation, Forumseinträge, ...).
Ist die Onlineüberwachung rechtlich als Beweisführung abgedeckt?
Die Online-Überwachung, jedenfalls des Key-Loggings ist durch die
"akustische und optische Überwachung nicht öffentlichen Verhaltens"
nicht gedeckt. Die Rolle des Rechtsschutzbeauftragten ist, wie zu
befürchten war, bloss eine eines rechtsstaatlichen Feigenblatts.
Die Onlineüberwachung wird üblicherweise immer mit notwendigen
sicherheitspolitischen Massnahmen in Verbindung gesetzt. Hat die
Onlineüberwachung in diesem Fall wirklich überzeugende Beweise
gebracht?
Auch sicherheitspolitisch kann das Verfahren nicht überzeugen. Wenn
die GIMF tatsächlich eine "unternehmensähnliche Organisation" ist,
und tatsächlich in internationaler Zusammenarbeit die Aktivitäten
überwacht wurden, warum gelang es nicht eine einzige reale
Identitäten/Personen mit dem Angeklagten in Verbindung zu bringen?
Wer steckt hinter all den Nicknames und IP-Adressen, die hier
offensichtlich aufgezeichnet wurden?
Die Vorführung des auf den PC des Anklagten gefundenen
Tötungsvideos, gehörte wahrscheinlich zu den prägenden Momenten im
Gerichtssaal. Videos die zeigten wie Geiseln von Islamisten getötet
wurden haben betroffene Gesichter unter den Geschworenen
hervorgerufen. Videos, die ebenfalls auf den PC des Anklagten
gefunden wurden, welche zeigen wie Amerikaner Iraker folterten,
wurden nicht vorgeführt.
Der Verdacht einer Stimmungsmache des Richters drängt sich auf. Wie
beurteilen Sie das?
Z: Auch die Vorführung der Tötungsvideos diente offenbar der blossen
Stimmungsmache und wurde in einem Nebensatz verwiesen, dass es
keinerlei Hinweise des Angeklagten an der Beteiligung dieser Videos
gab. Weiters wurde der Gesichtsschleier als "Fetzen" bezeichnet.
Insgesamt konnten offenbar Anklage und Richter auf ein gemeinsames
Stimmungsbild bauen, dass die Geschworenen genügend Angst vor Terror
haben, um den Angeklagten zu verurteilen. Diese Meinung wurde
offenbar schon sehr früh verfestigt.
Es wird darauf hingewiesen, dass Herr Zeger hier eine Einschätzung
des Prozessverlaufes abgibt, aber keinerlei Einschätzungen zu den
Handlungen des Angeklagten ansich abgeben kann, da er diese zu wenig
kennt.
http://www.antiimperialista.org/index.php?option=com_content&task=view&id=5579&Itemid=236
Zum Terrorprozess gegen Mohamed M.
Thursday, 20 March 2008
Zeugen wurden unter Druck gesetzt.
„Jetzt bin ich ich!"
Im Vorfeld des Prozesses hatten sich die staatlichen Instanzen
redlich bemüht, Zeugen für die terroristische Gesinnung Mohamed M.s
zu finden. Das misslang, mit Ausnahme der beinah kompakten
Gesinnungsgemeinschaft der Geschworenen; was die Zeugen betraf, so
endete es am 5. März mit einem Knalleffekt. Als an dem Tag die
Zeugen der Anklage aufgerufen wurden, Daarunter Haschem Haschem,
horchte der ganze Gerichtssaal auf: Der Zeuge widerrief!
Er berichtete, seine bei der Polizei getätigten Aussagen würden
nicht zutreffen, sie seien unter Druck entstanden. Das BVT habe
seine Aussagen verdreht. Er sei auss
erdem vor kurzem ein weiteres Mal
von einem BVT-Mann eingeschüchtert worden. Er habe keine Kontrolle
über seine Äusserungen gehabt.
Bei den Gesprächen mit Mohamed M. sei es um Frauen, und nicht um den
dschihad gegangen.
Der Hauptangeklagte hatte bereits vor dem Prozess die Aussagen des
Haschem Haschem in Frage gestellt. Am 3. 3., dem ersten
Verhandlungstag, bemerkte der Hauptangeklagte: „Ich glaube, er wurde
zu dieser Aussage vom BVT gezwungen so wie meine Frau auch.“
Wir bringen in der Folge die Aussagen des Zeugen wörtlich nach einer
stenographischen Mitschrift.
Richter: Seit wann kennen Sie ihn? (sp, auch in der Folge (1))
H:. Ich kenne ihn, seitdem ich ganz jung bin.
R.: Mit 8 Jahren. – Was hat er für Ansichten über den dschihad?
H.: Erstens: Wer sagt, dass ich diese Aussagen gemacht hab?
R.: Das ist ihre Aussage bei der Polizei.
H.: Ah so! Ich finde, das BVT ist verlogen.
R.: Sie können keine pauschalen Verdächtigen gegen eine
österreichische Behörde …
H.: Das ist aber so!
R.: Ich kann ihnen nur den Tip geben, vorsichtig zu sein. – Sie
haben gesagt (das Gespräch ging über den dschihad).
H.: Ich habe über den dschihad gesprochen … . Das stimmt nicht! …
R. (H.?) Mahmoud hat den dschihad befürwortet. … Das stimmt nicht. Ich
wurde unter Druck gesetzt (das nicht nur einmal (op) (2). Jetzt vor
kurzem wieder, ein BVT-Beamter hat mich eingeschüchtert. (Da hat
mich der Beamte von oben bis unten angeschaut (op)). Ich weiss
nicht
mehr, was ich geredet habe. Jetzt bin ich ich! (-op (3))
R.: Können Sie heute etwas über seine Ansichten sagen? Etwa zur
Befürwortung von Selbstmordattentaten?
H.: (Er ist ein sehr guter Freund von mir. Ich kann das mit den
Videos nicht glauben (op)). Wir haben meistens über Frauen
gesprochen, sind essen gegangen, vom dschihad war nicht die Rede (-op).
(Zum Richter:) Hören Sie mir eh zu? (-op)
R.: Hat er die Europameisterschaft-Anschläge vorbereitet? (-op)
H.: Ah so einer? Ich finde das lächerlich! (-op)
Damit endet die Befragung. Nachher erwähnt H. noch: Wie kann das
sein, dass das BVT meine Aussagen einfach verdreht? (sp, -op)
Soweit die Aussagen des Haschem-Haschem. Wir meinen und spüren, dass
die frische Jugendlichkeit der Sprache des Zeugen eher ein Indiz für
ein hohes Mass an Plausibilität ist als eines für Verstellung.
Mit zwei weiteren Zeugenaussagen, der des Studenten Wilhelm
Langthaler sowie des Bruders der Angeklagten konnten die Vorwürfe
der Al-Qaida- bzw. Terrorismusnähe der Angeklagten glaubwürdig
entkräftet werden. Diese Aussagen fanden aber offenbar weder in der
schwach abwägenden Rechtskultur des Verhandlungsleiters noch im
Terrorurteil der Geschworenen eine adäquate Berücksichtigung.
(1) sp: Stenographisches Protokoll von AuO
(2) op: Offizielles Protokoll. Die in Klammer gesetzten
Formulierungen stammen aus dem op. Das op weicht an etlichen Stellen
von sp ab und bietet Vereinfachungen und Glättungen. Oft wird der
wörtliche Charakter des sp, d. h. der Originalrede, nicht
beibehalten. In zahlreichen Fällen ist das op auf eine manchmal
vereinfachende, zumindest resumierende Version des Richters
Gerstberger zurückzuführen, die er der Protokollantin verbal
übermittelte, also auf sein Diktat.
(3) -op: Im op nicht enthalten, oder daraus gelöscht. Bedeutet
implicite, dass es nur in op aufscheint. Es wurden nur die
charakteristischsten Abweichungen damit markiert, nicht sämtliche
stilistischen und semantischen Nuancen oder Varianten.
Unter anderem folgende Formulierungen fanden also in das offizielle
Protokoll keinen Eingang:
„Ich weiss
nicht mehr, was ich geredet habe. Jetzt bin ich ich!“
„Wir haben meistens über Frauen gesprochen, sind essen gegangen, vom
dschihad war nicht die Rede. … Hören Sie mir eh zu?“, sowie die Frage:
„Hat er die Europameisterschaft-Anschläge vorbereitet?“ und die
darauffolgende Antwort.
Zu Boden geschlagen, beim Verhör falsch informiert.
Was für eine Atmosphäre bei der österreichischen Polizei herrscht,
erhellt auch aus der Aussage eines weiteren Zeugen, der ebenso wie
Hashem Hashem am 5. 3. 2008 vernommen wurde. Es handelt sich um Umer
Hussein, der von Mohamed M. in seine Strategie einer systematischen
(auch kommerziellen) Verwertung seiner Medienkontakte eingeweiht
wurde. Nachdem er darüber bei der Hauptverhandlung berichtet hat,
wird er gefragt, wieso er dies heute das erste Mal erzähle?
Und er kommt mit einer charakteristischen Erklärung: "Damals, als
ich verhaftet wurde, ist die Polizei bei mir zuhause eingedrungen,
hat mich zu Boden geworfen, hat mich mitgenommen, ich kam ins
Gefängnis. Dann kam ich zur Einvernahme, die Polizisten haben mir
gesagt, ich soll alles erzählen, was ich von ihm weiss
. Ich habe
begonnen, alles zu erzählen und dann sagten sie, das wäre nicht
genug. Sie wandten ihre Methoden an. Sie sagten auch, er hat die
ganze Zeit gegen mich ausgesagt. Ich habe geglaubt aufgrund der
Vorhaltungen der Polizei, dass er mich belastet. ..." (op, 5. 3.
2008)
Daraus wird klar, dass bei den polizeilichen Verhören zumindest ein
gewisses manipulatives Element vorhanden ist. Offenbar wurde ihm
keine Luft gelassen, eine detaillierte und den Angeklagten
entlastende Aussage zu machen.
Bei seinen Gesprächen mit Mohamed M. wurde auch das Problem der
Selbstmordanschläge erwähnt, bei denen M. auch ein
lumpenproletarisches Element ins Spiel führte. Oft seien es
Strassenkinder, "die haben oft keine Ahnung, wofür sie kämpfen oder
was sie da tun und was das für Folgen hat und schon gar nicht, ob
das, Islamisch gesehen, legitimierbar ist oder nicht." (op, 5. 3.
2008)
Das ist ein soziologisches Detail, das aber nicht unwesentlich ist
und dessen Bestandsaufnahme für die Reife eines umsichtigen
Beobachters zeugt. Was den Irak betrifft, so weiss
jeder, der vor dem
Krieg im Irak war, dass bereits damals eine beträchtliche Verarmung
und Vernachlässigung dieser Strassenkinder zu beobachten war, dass
aber mit dem Krieg Verarmung und Verrohung exponentiell anstiegen.
Aus der durch den Krieg generierten Verelendung erscheint die
Verwendung politisch unbewusster Desperados durchaus plausibel.
Die Äusserung Mohamed M.s stellt, abgesehen von der genauen Kenntnis
der Situation, auch zweifelsfrei eine Distanzierung von der
Ideologie und Praxis der Selbstmordanschläge dar, deren Akzeptanz
bzw. Propagierung ihm vom Schnellrichter Gerstberger ja immer
vorgeworfen wird.
Die einzig adäquate Behandlung eines kontroversiellen Themas besteht
in dessen detailgetreuer und aufmerksamer Erörterung. Kann man sich
aber vorstellen, dass in einer Atmosphäre des Drucks und der
Bedrohung durch die österreichische Polizei ein solcher Diskurs
möglich ist? Er wird unterbunden, und der Fall dieses Zeugen ist ein
Beispiel dafür. Die späte Aussage geht natürlich nicht in die
Bewertung des Richters und offenbar kaum in die der Geschworenen
ein.
Ein Prozess, der auf Manipulation und Druck aufgebaut ist, hat nichts
Gesundes an sich, er hat schon eine tendenziöse, vorverurteilende
Ausgangsrichtung.
Aug und Ohr
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