Hinweise zu Tassawuf
تصوف
Sufismus
Die angewandte Wissenschaft
der transzendenten Lebensqualität, wird Tass
auwuf
genannt.
Muhammad Abu Bakr Mueller |
1420 / 1999.
Tassauwuf
ist die
Wissenschaft des Einnehmens der inneren
Qiblah (Ausrichtung in der
Anbetung) im Einklang mit der
Schariah
(der Weg; das formale Gesetz), und der
Sunnah, so wie z.B. die
arabische Grammatik eine der Voraussetzungen für die Wissenschaft des
Tafsiir ( Qur'aan - Auslegung) ist. "Suufi" ist der Name,
mit welchem einst gottesfürchtige Muslime, die den Kampf gegen das eigene
Selbst (Dschihaad akbar) als täglichen Begleiter wählten, bedacht
wurden. Über die Jahrhunderte haben sich dann die Erkenntnisse und Erfahrungen
der Suufis in verschiedenen
Turuuq (Sing. Tariqah) institutionalisiert; manche
Turuuq sind ausgelaufen, andere sind
heute sehr verbreitet.
Die sprachliche Wurzel des Wortes Suufi liegt
vermutlich in „Suuf“ (Wolle), weil die frühen
Suufis meist raue
Wollgewänder (im Sinn ihrer Weltentsagung) trugen und auch in „Saaf“
(Reinheit), weil es ja um die innere Reinigung geht. Möglicherweise steht „Suufi“
auch in Verbindung zum Wort „Sophia“ (Weisheit) usw., doch sind diese
etymologischen Spekulationen für das Verständnis von Tass
auwuf, nur
insofern von Bedeutung, da sie darauf hinweisen, das Tass
auwuf keine
Erfindung ist, welche erst vor 1400 Jahren gemacht wurde, jedoch einen neuen
sprachlichen und rechtlichen Kontext durch Qur'aan und Sunnah
fand. Einer sagte: "Suufi war zuerst eine Realität ohne Namen und
heute ist Suufi ein Name ohne Realität", was nicht nur auf die Bezeichnung
verweist, sondern auf den hohlen Anspruch Sufi zu sein ohne die Realität des
Sufismus zu leben..
Der Begriff Derwisch
درویش
(pers.
Darwīsch) leitet sich vom Wort dar
(„Tor“, „Tür“) ab, ein Sinnbild dafür, dass der Bettler von Tür(schwelle) zu
Tür(schwelle) wandert. In der Suufischen Symbolik bedeutet dies auch
die Schwelle zwischen dem Erkennen der
Dunja (diesseitigen Welt) und
dem Akhirah, (jenseitigen Welt)
und
wird/wurde daher undifferenziert auch für Suufis verwendet, selbst
wenn diese materiell gesehen wohlhabend sind, da es ja die innere Armut vor
Allah
ist, das
Fanaa'
فناء
(„die Entwerdung“, bzw. das „Nicht-mehr-selbst-bestehens
im Angesicht Allahs“), was den
Faqiir (der Arme) geistig gesehen
definiert; die Äussere Armut ist aber das, was die Übung, welche zur
innerlichen Armut hinführend wirkt; also ein Geschenk Allahs, dessen Annahme von den meisten frühen
Schujuuch (Suufimeistern) als Voraussetzuzung für den Weg gesehen wurde; kurz, die
Auflösung des gesamten materiellen Besitzes wurde oft als notwendiger Umstand für den
Wanderer gesehen, da Besitz mitzutragen sehr belastend ist und
wer auss
erdem sein
Risq (Versorgung) auss
er durch Allah
abgesichert glaubt, dem mangelt es an
Tawakkul
(Vetrauen auf Allah) der
ist grundsätzlich nicht fit für den Weg des Suufis in diesem Sinn. ....... In den verschieden Kulturräumen gab/gibt es
auch Bekleidungen, die in Verbindung mit Sunnah
oder Tass
auwuf zu bringen sind, so sich Rasullullah
und manche seiner Gefährten die Kleidung selbst flickten,
doch kann es sich auch um
Nifaaq
(Heuchelei) handeln um
mittels
Flickenrock.zu betteln. Was aber auch immer für Schwächen und Fehler
ausfindig gemacht werden können, Tass
auwuff ist der Name der
Wissenschaft, welche zur innern Wahrheit in der mit ihr untrennbar
verbundenen phänomenalen Welt führt.
Ob nun Suufi, Darwisch oder Faqiir,
-
Tassauwuf ist die Weitergabe des Islam von Herz zu Herz oder der
Versuch,
Ihhsaan (die Perfektion
im Glauben) zu verwirklichen. Anders ausgedrückt: Das Bekenntnis zum
Tauhid (Einheit
Allahs)
eine spirituelle
Lebensqualität
werden lassen. Tass
auwuf ist also der genau beachtete Weg und
bereits das Gehen dieses Weges ist echte Lebensqualität, während der Raum in dem
diese Wanderung stattfindet, die Liebe zu Allah
und seinem Gesandten
ist.
Adab
(Verhalten, Benehmen),
Taqwa (Gottesfurcht, Vorsicht) und
Tawakkul (Vertrauen
in Allah
) sind der Wanderstab, während Taqwa (die Furcht vor Allah
) die Wurzel des
'Ilm (Wissen) der Suchenden ist. In geschichtlicher Hinsicht ist
Tassauwuf mit den Namen verschiedener Turuuq (Pl. von
Tariqah) bekannt geworden, welche meist Namen von Schujuuch oder deren Herkunft tragen:
Qadri, Tarqawi, Naqshbandi u.s.f.
Der Weg muss gegangen werden, indem der
Muriid (ein auf diesen Weg
sich hingezogen fühlender Schüler eines Schaikhs)
nun leseunkundig ist oder Islam auf einer Universität studiert
hat, aus Arabien kommt oder aus Mexiko, andernfalls ist alles nur Geschwätz
ist.
Die Liebe zu Allah
, dem Erhabenen Schöpfer all unseres Wissens und all
unserer Zustände und die Liebe zu Seinen
Ambiaa’
(Allahs Gesandte, der Friede und Segen
Allahs
seien auf ihnen) und Liebe zu den
'Auliaa'' (Heilige,
Freunde Allahs)
als auch die konkrete
Nisbah (spirituelle Verbindung) durch einem
Schaikh, sind Voraussetzungen für diese Wanderung. Die Anbetung
Allahs und das Erkennen und Bezeugen Seiner Existenz sind der Sinn des
Menschen; dort hin aber zu gelangen, ist der Weg. Die
Schariah (das
formale Gesetz oder der breite Weg, den alle Muslime gehen), die
Tariqah (der schmale Pfad im Kampf gegen das eigene Selbst, der
innerhalb des breiten Weges verläuft und der nur von wenigen eingehalten
wird) und die
Hhaqiiqah (Erkenntnis in
Tauhiid [der Einheit
Allahs]-, verwandt mit dem Begriff „Gnosis“) sind eine einzige
Angelegenheit, ohne Widerspruch;
Tass
auwuf
aber ist dafür die nötige
Schule für Herzgestaltung, denn nichts von der Schöpfung auss
er den Herzen,
vermag Allah
zu enthalten auss
er dem Herzen, welches auch der Sitz des
Intellekts ist. Wie könnte denn ohne ständigem Gedenken an Allah
(Dhikrullah)
die Nafs al ammarah (der begierige Seelenaspekt) oder der
spekulierende Verstand, den Islam, die Unterwerfung wollen? Erscheint doch
der Nafs die Erweiterung der Brust als Einschränkung und
Unterdrückung! Nachdem Allah
den Ibliis (Schaitdaan, Teufel)
fragte: „qaala maa man’aka allaa nasdschuda idh amartuka“, „Er
[Allah
] sprach: Was hinderte dich, dass du dich nicht unterwarfst, als ich
es dir befahl?“ antwortet Ibliis: „anaa khairun minhu -
khalaqtanii min naarin wa khalqtahu min Tdiin“ („Ich bin besser als
er [Adam, der Mensch].
Du hast mich aus Feuer geschaffen, während Du ihn aber
[nur] aus
Ton geschaffen hast“) [Qur’aan 7/12], um ein
Beispiel zu geben, wie der Verstand von der Nafs (Seele, Selbst, Ego)
durch Stolz in seinen Argumenten gelenkt wird. So wie also Äusseres, formal
scheinendes für diejenigen welche den Kampf gegen sich selbst aufgenommen
haben, von Bedeutung ist, so unbedeutend werten es dagegen jene, welche das
Innere als das Wichtige hervorheben, nur um sich für das Unterlassen des
Äusseren (die Verbeugung Schaitdaans vor
Adam) entschuldigt zu
erklären, indem sie sagen: "Der Islam ist doch im Herzen; das Äussere ist
ja nicht wichtig". Es ist aber genau was den Suufi ausmacht, dass er die
Unterscheidung von Äusserem und Inneren einerseits als von der Nafs
benutzt Ausrede, um sich zu verstecken entlarvt und anderseits aber diese
Unterscheidung auch eine sprachliche Notwendigkeit ist. Von wem denn, auss
er
vor Dem Allhörenden, dem Allsehenden will man Ausreden am Weg vorbringen, so
er doch „ath-thaahiru“ (Der Äussere) und
al baatdinu (Der
Innere) heisst.
"Suufi" war ursprünglich der Name, mit dem einst die Leute
der Weltentsagung benannt wurden; später aber auch diejenigen, welche sich
dem inzwischen formulierten Tass
auwuf (der Wissenschaft
der Suufis) widmeten,- sei es als gross
e Gelehrte oder Schüler eines
oder mehrerer Lehrer (Schujuuch), als reicher oder Bettler. Heute
aber beanspruchen selbst manche Nichtmuslime den Begriff „Suufi“ für sich,
indem sie meinen, „Suufi“ seien diejenigen, welche offen oder
insgeheim über dem din (die Lebensweise des orthodoxen Islam) stehen,
indem sie verschiedene Texte aus der Suufi-Literatur lesen und grundsätzlich
missverstehen, so die Autoren davon ausgingen, das der Leser Muslim ist die
Grundkenntnisse des Islam seine Basis des Verstehens seiner Andeutungen
sind, also das der Leser ein
Muriid ist, der selbstverständlich der
Schariah und Sunnah folgt und den Text von jemand bekommen,
der weiss
, das der Leser fähig ist, ihn richtig zu verstehen; nur wenige
Muslime sind in der Position Texte zu verstehen; nicht für alle ist richtig,
was für manche richtig ist; Ärzte geben den Krankheiten entsprechende
Arzneien und im Sinne der Verträglichkeiten für den Patienten.
Die entstellenden Verwendungen des Wortes „Suufi“ und
manch ihrer unsinnigen Praktiken, mögen für den Ehrlichen eine Überlegung
sein, sich nicht mehr „Suufi“ nennen zu wollen, doch der nächste Schritt wäre
dann, sich nicht mehr „Muslim“ nennen zu wollen, so dieser Begriff "Muslim"
noch viel mehr missbraucht wird. In den Medien kann der Eindruck gewonnen
werden, dass heute bereits Nichtmuslime den Muslimen erklären, wie Islam sie
zu sein haben und diese folgen dann auch für ein par Süssigkeiten.
Ein Nichtmuslim besuchte eine "musealisierte"
Tekke
(türk. Versammlungsort der Suufis) in Istanbul, und sagte zu mir: „es müsse
etwas gegeben haben, das heute aber nicht mehr aktualisiert werden könne.“
.... Nichtmuslime, können also beim Betreten von bereits musealisierten
Räumen des
Dhikr (Erinnerung an Allah
), etwas in ihnen Schlummerndes
empfinden, obwohl in ihnen die Glaubenslehre vom haarigen Affen, der sich
zum aufrecht gehenden, zivilisierten, rasierten Menschen entwickelte,
aktiviert ist. ist das nicht ein Wunder? Manchmal wird der Ungläubige eben
an seinen Urvertrag „alastu bi rabbikum“ („bin Ich nicht euer
Herr“) erinnert, ein Vertrag, der in jedem Menschen unlöschbar
gespeichert ist. Die Nafs (das Ego) blockt die Information vom
Urvertrag aber ab, in dem er diese interne Nachricht von der geistigen
Realität auf die Kulturebene hinunter schiebt und sich damit den Zugang
versperrt; und wer hat noch nicht den Abblocker (dieses Bild vom
Affenmenschenbild) bereits in der Schule eingeimpft bekommen?. Wer sich
Tass
auwuf annähern will, der muss sich der Devolution, also der geistigen
Degeneration der Menschheit, bewusst werden.
Unter den Muslimen von
Madinah (also am Anfang der
Vervollständigung des
Diin) gab es keinen definierten Säkularismus,
doch nach dem Tod des Gesandten (der Friede und Segen Allahs sei auf ihm),
begannen in der
Ummah (Gemeinschaft der Muslime) erste Anzeichen zu
keimen, wie z.B. die Verweigerung der
Zakah durch einen Stamm, indem
dieser meinte, die Zakah-pflicht galt nur zur Lebenszeit
Muhammads
(der Friede und Segen Allahs seien auf ihm) und dann die erste
Abspaltungen:
Dunja (Leben vor dem Tod) wurde von
Aakhirah (das
Leben nach dem Tod) zunehmend als etwas getrenntes behandelt. ..... und es
"waren eben diejenigen, welche dann als "Suufii" bezeichnet werden
sollten, welche die ursprünglich vermittelte Lebensqualität, den Diin,
wie aus der Zeit
Rasuulullahs (der Friede und Segen Allahs seien auf
ihm) zu erhalten trachteten, während der Säkularismus in der Ummah
seinen Einzug bahnte. Heute, in den säkularisierten, ehemaligen Islamischen
und unIslamischen Gebieten, ist der Diin (die Lebensweise, Religion)
fast nur mehr in den Glasvitrinen der Wohnzimmer zu finden, wo
Skulpturen aus Keramik, die an den Qur’aan erinnern sollen,
ausgestellt sind und die Gespräche beim Abendessen, mit einer
Lifeübertragung der Qur’aan-Rezitation aus
Mekkah, untermahlen
werden. Sind nicht die Muslime durch den Qur’aan darauf hingewiesen
worden, dass man Ruuhhig sein soll, wenn der Qur’aan rezitiert wird?
Wann also der Begriff Suufi bzw. Tass
auwuf erstmals
verwendet wurde ist nicht sicher festzustellen, doch waren die Vorgänger der
Suufis die Sahaaba, (die Gefährten des Propheten mit welche die
gelebte Realität des Islam gefährdet sahen und entsprechende Konsequenzen
zogen; wie z.B. die Erinnerung an den Qur'aan auch als "Buch aus Papier“ zu
sichern so sie befürchteten, die Huffaz (diejenigen die den Qur’an
auswendig in ihren Herzen trugen), könnten aussterben,- oder die
Wissenschaft des tafsiir (Interpretation des Qur'aan) erst dann
notwendig wurde, als falsche Behauptungen in Umlauf kamen und so entstand
auch die Bezeichnung Suufi im Kontrast zum Aufkeimen des säkularen
Trend. Alle
ss
ahhaabah waren sinngemäss Suufis, doch der Name „Suufi“
war für sie nicht notwendig. Die Qualität des Din (nach ihrer Blüte
in den Jahren der Offenbarung und noch dreissig Jahre danach), bewegt sich
(ähnlich der Umweltzerstörung) seit damals ständig in Richtung Tiefpunkt,
von Generation zu Generation (min khair ila scharr) und
notwendigerweise bildeten sich im Laufe der Jahrhunderte,
institutionalisierte Turuuq (pl. von Tariqah;
"Suufi-Gemeinschaften"), wenngleich dies nie Absichten ihrer irrtümlich so
benannten Gründer waren; diese Gründungen wurden von Orientalisten wohl in
Assoziation zu christlichen Ordensgründungen hineininterpretiert so wie
Muhammad (der Friede und Segen Allahs seien auf ihm) fälschlicherweise als
Gründer des Islam dargestellt wird; Brunnengraben ist eine Notwendigkeit,
doch die Absicht dazu ist nicht der Brunnen, sondern das Tränken.
Die Brunnen aber sind die Suufi-Schaikhs, und sind
jeweils die letzten Glieder geistiger Ketten (Silsillah),
zurückreichend bis zum Licht, welches Allah
durch Muhammad
(der Friede und Segen Allahs sei auf ihm) der gesamten Menschheit zukommen
lies; eigentlich sind sie Selbst eben nicht; der wahre Schaikh hat nichts zu
verteilen; der Muriid blickt in den Brunnen und sieht sein
Spiegelbild. Es gibt unterschiedliche Disziplinen und Techniken (des
Dhikr) welche die Meister lehrten, und wie sich die Muridiin aus dem
Brunnen Wasser holen sollten und was Adab (richtiges Verhalten)
bedeutet. Einiges ist aus den Büchern in europäische Sprachen übersetzt
worden, doch wird beim Lesen vergessen, dass die Autoren immer umfangreiche
Kenntnisse der Schariiah und Sunnah als Voraussetzung für das
Verständnis ihrer Texte betrachteten. So sich Tass
auwuf mit den
versteckten Krankheiten der Seele beschäftigt, reicht eine Ingenieursprache
nicht aus und die Meister verwendeten symbolische Begriffe wie: "Wein,
Standplatz, Tötung des Selbst, Eingebung, Stimme aus dem Unsichtbaren,
Umarmung, Rohrflöte, Raubtiere, ja eigentlich alles was man kennt bekam eine
tiefe Bedeutung. Doch was ist geschehen seit diese Texte nicht nur mehr
Auserwählten zugänglich sind? „Wein“ wird als das verboten Rauschgift
verstanden und dann behauptet, Suufis würden das Verbotene für erlaubt
erklären.
Die ehrliche Beziehung (Nisbah)
zu einem der
Gottesnahen, den 'auliaa' Allahs, bedeutet ein geistiges Hochgezogen
werden, ein Beleuchtung der Stolpersteine am eigenen Weg und eine Erweichung
des Herzens, wie es durch eigene Anstrengung niemals erreicht werden könnte;
Kerzen müssen angezündet werden bevor sie leuchten und wenn sie einmal
brennen muss ihr schwaches Licht wiederum im Wind geschützt werden und genau
dazu dient die schari’ah, (das Gesetz, der Weg) und die Sunnah
(die lebensweise des Gesandten Allahs - der Friede und Segen Allahs sei auf
ihm). Es gibt keinen Tass
auwuf der getrennt von Schari’ah und
Sunnah existieren würde; das ist dann was anders; jedenfalls hier nicht
unser Thema. Jeder Muslim ist verpflichtet, mit Hilfe einer Führung zu
wandern, doch ist der Zugang oft schwer, denn wer weiss
schon,
wie man einen richtigen
Schaikh erkennt, wo doch so viel von
Schwindler zu hören ist; von Schaikhs die „angebetet“ werden usw. Viele
verleugnen gleich gänzlich den Weg, Tass
auwuf, indem sie nur Mängel
der Schujuuch (pl. von Schaikh, geistiger Führer) und ihrer
Murideen (pl. von
Murid, Hinstrebender, Adept, Schüler) eifrig
studieren und darüber Bücher verfassen, anstatt ihre eigenen Fehler zu
bekämpfen. Nicht selten werden Schujuuch (geistige Führer), auch
zwecks persönlichem Wirtschaftswachstum und anderen kurzfristigen Interessen
aufgesucht, wodurch ein entstelltes Bild von Tass
auwuf provoziert
wird.
Und es mag die Frage aufkommen, wie
Ikhlaas (die
perfektionierte Anbetung Allahs) mit der Hilfe eines Meisters (Schaikhu-l-kamil)
erlangt werden kann, wo er doch Menschen ist, der mit Schwächen und
Neigungen und Fehlern behaftet ist, jemand der prinzipiell auch gross
e Sünden
begehen kann? Wisse, es ist nicht der Schaikh, sondern ausschliess
lich die
Gnade Allahs, die in durch einen Schaikh in den Menschen etwas
bewirkt; die Leute von
Dschannah (Bewohner des Paradies) sind nicht
gleich denen von
Dschahannam (des Feuers) und wer Allahs
'auliaa''
bekämpft, der wird von Allah
bekämpft werden und hat keine Möglichkeiten
mehr; wer sie aber liebt, ihre Nähe sucht und sich durch sie leiten lässt,
der ist Allah
allein durch das Zusammensein mit ihnen näher gekommen als er
je durch seine Anstrengungen erreichen hätte können und wird durch sie vom
Säkularismus weggezogen und findet durch sie Hinweise für seine
Anstrengungen für seinen Weg, der Dschihaad akbar. Wer
Rasuulullah (der Frieden
und Segen Allahs seien auf ihm) auch nur für einen einzigen Moment gesehen
hat und an Ihn geglaubt hat, der ist allein dadurch ein anderer Mensch
geworden, auf in einen Rang erhöht worden, der durch nichts mehr erreicht
werden kann. Wer nun mit einem der 'auliaa' zusammen ist,
Nisbah
(geistige Verbindung in Anerkennung) hat, der verändert sich entsprechend,
allein schon weil er in dieser Gesellschaft mit der richtigen Absicht
verbringt; es ist aber nur Allahs der dies so bestimmt hat und die
Veränderungen bewirkt. Die Menschen sind mit denjenigen zusammen, welche sie
lieben; und wer Allah
liebt, der wird mit den Ihn Liebenden zusammen sein.
Heute nehmen Ingeneure und Professoren der Medizin,
Wirtschaft und Elektronik immer mehr die Positionen geistiger Führung unter
Muslimen ein und dem entsprechend erscheint ihnen Tass
auwuf immer
fremder oder absurder; und es sind die "demokratischen
Volksdiktaturen", ahnungslos des Weges, welche diesen Ingeneuren ihre
amtliche Legitimität nach Wahlen, bestimmt durch Begierde, verleihen. Andere
wiederum sprengen sich in die Luft, um vielleicht um dadurch sich mit Gewalt
gegen sich selbst zum Licht zu verhelfen und glauben, dass sie für den
Islam kämpfen aber verleugnen Islam, indem sie die 'auliaa'’(Heiligen)
leugnen. Diese zwei kulturellen „Repräsentantengruppen“ des Islam, müssen
die Suufis als Verrückte, von der Wirklichkeit ihres eigenen Strebens
Abgerückte, erscheinen. Am Anfang war Islam fremd und am Ende wird Islam
wieder fremd sein.
Das Verhältnis von Tass
auwuf zu Islam ist also so
wie das Verhältnis arabischer Grammatik zum
Qur'an;
man bräuchte grundsätzlich nie die
arabsiche Grammatik zu erwähnen um das
Paradies zu erreichen. Allah
erwähnt nicht direkt das Studium der
Grammatik und erwähnt nicht wörtlich Tass
auwuf. Der Suufi ist der, der
die Grammatik der Seelen bewusst betrachtet, doch gilt sie auch für die, die
davon nichts wissen. Wer aber denkt, dass das Studieren arabischen
Grammatik, oder des tafsiir usw. ohne entsprechender Herzgestaltung
(also ohne Unterweisung durch einen Suufi-Schaikh) genügt, der ist wie einer,
der das Getriebe seines Fahrzeugs verleugnet und nur seine Fortbewegung ohne
Zusammenhang betrachtet. Diejenigen, welche die Lehren des Tass
auwuf
zu befolgen versuchen, folgen zuerst einmal einer der vier
madhaahib
(Rechtsschulen, um nicht Gefahr zu laufen, durch verschiedene Eingebungen
und Vorstellungen vom rechten Weg abzukommen, denn Schaitdaan kennt
alle Winkel des Fortschrittes und es ist ihm ein leichtes, in die Irre zu
führen; die Rechtsschulen aber, sie schneiden die Einbildungen ab. Allein
deshalb ist es klar, das Tass
auwuf keineswegs mit Abspaltung von Islam
zu tun; das Fehlerhalten mancher Suufis und das Ingenieurverständnis des
Islam vieler Muslime, führt immer wieder dazu, Tass
auwuf (oder wer so
will,
Sufismus) als eine Neueinführung (bid´a)
zu deklarieren, also etwas, was mit Islam nichts zu tun hätte, während es
genau dazu dient,
Bid’ah zu verhindern. So absurd dies ist, so viele
glauben das, insbesondere diejenigen, die wandelnde Beispiele für
Bid´ah
sind.
Tass
auwuf steht im
Gegensatz zum kulturellen Verständnis des Islam und ist die Lebensweise,
welche die geistige Realität mit der äusseren Form in Einklang zu bringen
trachtet und Säkularismus hat dabei keinen Platz in den Herzen derjenigen,
die versuchten am Weg zu ihren Schöpfer nicht über die Vergnügungen der Welt
zu stolpern oder sonst wie abgelenkt zu werden. Das Leben der Suufis erschien
vielen als absurde Askese oder Verrücktheit, wohingegen diese Verrücktheit,
eigentlich Hingerücktheit in der Nähe Allahs immer spürbarer wurde und durch
kein Vergnügen ersetzt werden kann. Tass
auwuf ist die bewusste
Beschäftigung mit der inneren Realität, der geistigen Lebensqualität, welche
auf der Kenntnis intimer Beziehung zum Schöpfer und dem versteckten
Götzendienst der Seele beRuuhht. Das Erlebnis des Suufis, das mag das „Sein im
Sein Allahs“ (Wahhdatu-l-Wudschuud) sein, das Ziel aber ist
'Abdiaat (Sklave sein, Dienerschaft) in der Bezeugung der Einheit Allahs
(wahdat al schuhuud), wie es einst Bilaal (möge Allah
mit Ihm
zufrieden sein) während er gefoltert wurde, ständig „Allah
u-Ahad“,
rief.
Der Weg beginnt, indem sich der Wanderer unter die
Führung eines Schaikhs (Pl. Schujuuch Lehrer, Meister,
Murschid, Pir), welcher eine Verbindung zum Geliebten Allahs, zu
Muhammad (der Friede und Segen Allahs seien auf ihm) verpflichtet, indem
er Bayah nimmt (Treueversprechen, Allah
zu folgen). Alls dann
sich der Muriid sein Islambekenntnis mehr und mehr verinnerlicht bis
er in Tauhiid eingehüllt ist, ja erleben mag, jetzt erst vom
Muschrik (Götzendiener) zum
Muslim (in Allah
Ergebenen) geworden
zu sein, obwohl er eventuell bereits als Kind den heiligen Qur’aan auswendig
gelernt hatte. Keineswegs ist Tass
auwuf einfach mit Mystik (etwas
Unbeschreibliches) zu übersetzen, wenngleich Mystik phasenweise eine
Begleiterscheinung ist, denn je weiter man wandert, desto deutlicher wird,
dass auf Zwischenstufen vieles wie ein Mysterium erscheinen mag, da Qurb
(Nähe) und
M'ayiah (Mitheit) in Bezug zu Dhaat (Wesen
Allahs, das Absolute Sein), nur als bestimmungslos (laa
T'ayiun) in
unserer beschränkten Wahrnehmung existieren kann und sich jeder Sprache
entzieht.
Suufis sind also orthodoxe Muslime die auf das Äussere
nicht getrennt vom Inneren betrachten und welche sich Tassauwuf (die
Wissenschaft der innerem Aspekte der
Schariah unter Führung eines
Meisters) zum Lebensinhalt gemacht haben und keineswegs eine von
Ahlu-s-Sunnah
wa-l-dscham'a abweichende
Glaubensgruppe. Tassauwuf ist auch die Bezeichnung für das gelebte
Kernstück des Islam, der ursprünglichen, offenbarten Din (Religion).
Wer dieses Kernstück nicht kennt oder keinen Zugang findet, dem bleibt das
Bedürfnis und die Sehnsucht, sich zu seinem Schöpfer zu wenden in absurder
Logik versteckt, wobei sein Weg meist durch Irrlehren, extrem gefährdet ist
und u.a. zum bereits erwähnten Selbstmord im Mantel eines Schahiid
(Märtyrers) zur Ersatzhandlung für all die abgeschnittene Dimension der
Liebe herhalten soll; wie sollte sich der Mensch nicht nach der Dimension
sehnen, die Allah
für ihn erschaffen hat;
Schahiid
(Märtyrer) zu werden gehört zu den Wünschen jedes
Muslim, doch kann man sich das nicht wie ein Droge aussuchen. Möge Allah
den
Muslimen gnädig sein, in Ihren Verirrungen.
Im Laufe der Jahrhunderte haben sich also verschiedene
turuuq (Pl. von Tariqah, geistige Weggemeinschaft, Orden)
gebildet, welche für Aussenstehende den Eindruck erwecken können, sie sie
hätten von
ahl-as-Sunnah
wa-l-dscham'a abweichende Praktiken
oder Glaubensinhalte entwickelt, da entweder der Betrachter selbst falsche
Vorstellungen eingelernt hat oder aber die turuuq,- welche sich unter
unterschiedlichen Umständen und Einflüssen über längere Zeiträume
entwickelten,- in einem bereits demokratisierten, spekulativen in
verschiedenen ehemaligen Islamischen Gebieten ausbrach, oder
brandschatzenden Horden mit ihren Irrlehren für die Suufis lebensgefährlich
wurden, verlegten sie das gemeinsame Dhikrullah (Gedenken Allahs)
teilweise in den Untergrund, wodurch sich situationsbedingte
Schutzmechanismen entwickelten, ohne später wieder abgeschafft zu werden.
Der Begriff „Suufi" wird heute aber auch von Gruppen
vereinnahmt, welche die
Schar'iah
leugnen oder meinen, dass
Sufismus und Islam etwas Verschiedenes
seien. Es gibt "Suufis", die mit Islam ganz bewusst nichts zu tun haben
wollen, da sie der Meinung sind, „Suufi“ ist jemand der über den Konfessionen
stünde, und manche machen mit dieser Geschäfte, indem sie Seminaren mit Tanz
usf. veranstalten und Fragmente, abgestimmt auf Erwartungen der Teilnehmer,
aus verschieden Kulturen zusammenbasteln; es ist hier aber der falsche
Platz, diesem Unsinn weiter Erörterung zu unterziehen. Obwohl
Sufismus also
auss
erhalb des Islam sowenig existiert wie Schifffahrt ohne Wasser, gibt es
aber das Phänomen des "PseudoSuufis" unter verschieden Namen und das
Gegenstück sind die
haschawiah
(Antropomorphisten), welche die PseudoSuufis als Argument gegen Tass
auwuf
und zur Rechtfertigung ihrer eigenen Irrlehren benützen. Und es gibt auch
diejenigen, welche sich zwar zum Islam bekennen, aber tatsächlich nur in
ihre in der Kindheit automatisierten Kultursuppe Namens Islam schwimmen und;
also die Liebe zu Islam eher mit Gewohnheiten, Kindheitserinnerung,
nationaler Identität usf. verwechseln.
Jede Tariqah hat naturgemäss ihre Silsillah
(Kette), welche bis auf den Propheten
Muhammad
(der Friede und Segen Allahs sei auf ihm) zurückreicht; also eine Kette der
Weitergabe des Siegels des Wissens, von Herz zu Herz. Die meisten
Muridiin sehen ihren Meister als Qutub oder Ghaus
(geistige Rangordnungen innerhalb der von Allah
bestimmten Hierarchie) und
das dies auch legitime Überzeugungen und wenn aber jemand den Qutub
in einem unbekannter Schuster vermutet, der seit vierzig Jahren jede Nacht
im Geheimen betet, so ist daran auch nichts auszusetzen.
Ich selbst, der
Zusammenklauber dieser Hinweise, bin einst Muriid des Grossmeisters
der
Naqschbandi
Saifi Tariqah,
Akhund Zada Saifu-r-Rahman aus Ardschi
(Afghanistan). Schaikh Saifur-r-Rahmaan starb am 14.
Radschab
1431 (2010) und wirkte zuletzt in Lahore /
Pakistan. Möge Allah
ihm gnädig sein.
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