Kitāb Al-Waṣiyya -
Buch des Testaments1
Zugeschrieben
Al-Imām Abū Ḥanīfa, Muḥammad Al-Nuʿmān ibn Al-Thābit
Übersetzt von E. Dānā
Alles Lob gebührt Allah, dem Herrn (Rabb) der Welten, und Friede
Alles Lob gebührt Allah, dem Herrn (Rabb) der Welten, und Friede und
Segen seien auf dem Anführer der Gesandten, Muhammad, auf seiner
Familie und auf allen seinen Gefährten. Dies ist das Buch des
Testaments (Kitāb Al-Waṣiyya) vom gröss
ten Imam (Al-Imām Al-Aʿẓam)
Abū Ḥanīfa (raḥimahullāh – Allah erbarme sich seiner).
Als der Imām der Muslime (Al-Imām Abū Ḥanīfa) von einer schlimmen
Krankheit befallen wurde, versammelte er seine Gefährten und Schüler
um sich und sie wünschten sich von ihm ein Testament [basierend] auf
dem Pfad der Sunnah [des Gesandten Allahs -ṣallallāhu ʿalayhi wa
sallam-]. Also ordnete er seinem Bediensteten an, ihn aufzurichten
und sein Bediensteter sass hinter seinem Rücken und er [sein
Bediensteter] stützte ihn. Sodann sagte er (raḥimahullāh):
Wisset, meine Gefährten und Brüder, dass der Glaube der Leute der
Sunnah und der Mehrheit (Ahlu Sunnah wa Al-Jamāʿah) auf zwölf
Merkmalen basiert. Wer auch immer von euch sich fest an diese
Merkmale hält, soll weder ein Erneuerer noch ein Abweichender sein.
Also ist es für euch verbindlich, an diesen Merkmalen festzuhalten,
so dass ihr in die Fürsprache unseres Propheten Muḥammad (ṣallallāhu
ʿalayhi wa sallam) am Tag der Wiederauferstehung [und des Gerichts]
einbezogen seid.
Er sagte:
Glaube (Īmān) ist das Bekenntnis mit der Zunge, Zustimmung mit der
Seele und Erkenntnis mit dem Herzen. Das Bekenntnis allein macht
nicht den Glauben aus, denn wenn es Glauben wäre, dann wären alle
Heuchler Gläubige. Zugleich macht nicht die Erkenntnis allein den
Glauben aus, denn wenn es Glauben wäre, dann wären alle Leute der
Schrift (Ahl Al-Kitāb) Gläubige. Was die Heuchler angeht, so sagt
Allah (subḥānahu wa taʿālā – Gepriesen sei Er, der Erhabene): „und
Allah bezeugt, dass die Heuchler wahrlich lügen.“ (63:1) Was die
Leute der Schrift angeht, so sagt Allah (subḥānahu wa taʿālā):
„Diejenigen, denen Wir die Schrift gegeben haben, erkennen ihn [den
edlen Qu'ran], so wie sie ihre Söhne erkennen.“ (6:20).
1. Glaube
nimmt weder zu noch ab, denn sein Abnehmen ist undenkbar, auss
er mit
dem Zunehmen des Unglaubens und sein Zunehmen ist undenkbar, auss
er
mit der Abnahme des Unglaubens. Wie kann es passend sein, dass eine
Person zur gleichen Zeit ein Gläubiger und ein Ungläubiger ist? Ein
Gläubiger ist ein wahrer Gläubiger und ein Ungläubiger ist ein
wahrer Ungläubiger. Es gibt keinen [Anteil an] Zweifel im Glauben,
so wie es keinen [Anteil an] Zweifel im Unglauben gibt, wegen dem
Worte Allahs (subḥānahu wa taʿālā): „Das sind die wahren Gläubigen.“
(8:4), und „Das sind die wahren Ungläubigen“ (4:151). Die Sünder von
der Gemeinschaft (Ummah) Muḥammads (ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam)
sind alle Gläubige, wahrhaftig, und sie sind keine Ungläubigen.
2. Die Tat (ʿAmal)
ist etwas anderes als Glaube und Glaube ist etwas anderes als die
Tat, gemäss dem Beweis, dass der Gläubige oftmals von der
[Verpflichtung einer] Tat entbunden wird und es ist nicht möglich,
zu sagen, dass er vom Glauben entbunden wurde. So ist es also mit
der menstruierenden Frau (Ḥāʾiḍ) und der Frau im Wochenbett (Nafsāʾ),
Allah (subḥānahu wa taʿālā) entbindet sie von [der Pflicht] des
Gebets und des Fastens und es ist nicht möglich, zu sagen, dass Er
sie vom Glauben entbunden hat oder dass Er ihr das Verlassen des
Glaubens befohlen hat. Das Gesetz (Scharʿ) sagt ihr: „Lass das
Fasten, vollziehe es später.“ Aber es ist nicht möglich, zu sagen:
„Lass den Glauben, sodann vollziehe es später.“ Es ist erlaubt, dass
gesagt wird: „Es gibt für den armen Mann keine Verpflichtung zur
Zahlung der Zakāh (Almosensteuer).“ Aber es ist nicht erlaubt, dass
gesagt wird: „Es gibt für den armen Mann keinen Glauben.“ Die
Vorherbestimmung von Gut und Schlecht ist komplett von Allah (subḥānahu
wa taʿālā), denn wenn jemand annimmt, dass die Vorherbestimmung von
jemand anderem auss
er Ihm ist, wird er ungläubig an Allah (subḥānahu
wa taʿālā) und sein Monotheismus (Tawḥīd) wird ungültig, wenn der
Monotheismus sein Glaubensbekenntnis war.
3. Wir bestätigen, dass Taten2
von drei Arten sind: [I] verpflichtend, [II] freiwillig und [III]
sündhaft. [I] Verpflichtende [Taten] geschehen gemäss des Befehls
Allahs (subḥānahu wa taʿālā), Seines Willens, Seiner Liebe, Seines
Wohlgefallens, Seiner Anordnung, Seiner Vorherbestimmung, Seiner
Schöpfung, Seines Urteils, Seines Wissens, Seiner Unterstützung und
Seiner Niederschrift auf der wohlbewahrten Tafel (lawḥ maḥfuẓ). [II]
Freiwillige [Taten] geschehen nicht gemäss des Befehls Allahs (subḥānahu
wa taʿālā), jedoch mit Seinem Willen, Seiner Liebe, Seinem
Wohlgefallen, Seiner Vorherbestimmung, Seinem Urteil, Seinem Wissen,
Seiner Unterstützung, Seiner Schöpfung und Seiner Niederschrift auf
der wohlbewahrten Tafel. [III] Die sündhaften [Taten] sind nicht
gemäss des Befehls Allahs (subḥānahu wa taʿālā), aber [sie geschehen]
mit Seinem Willen, nicht mit Seiner Liebe, aber mit Seiner
Anordnung, nicht mit Seinem Wohlgefallen, aber mit Seiner
Vorherbestimmung und Seiner Schöpfung, nicht mit Seiner
Unterstützung, aber mit Seinem Zulassen und Seinem Wissen und Seiner
Niederschrift auf der wohlbewahrten Tafel.
4. Wir bestätigen, dass Allah (subḥānahu wa taʿālā) über den Thron
istawā (sich erhob) machte, ohne dass es eine Erforderlichkeit oder
Sesshaftigkeit (istiqrār) für Ihn selbst ist. Er ist der Hüter des
Throns und von allem anderen, ohne dass dies für Ihn ein Bedürfnis
wäre. Wenn Er jemals dessen bedürftig gewesen wäre, dann wäre Er
nicht dazu in der Lage gewesen, die Welt in die Existenz zu bringen
oder sie zu vernichten, so wie die zwei Schöpfungen [dazu nicht im
Stande sind] - Menschen und Dschinn. Wenn Er [jemals] des Sitzens (julūs)
und des Sesshaftwerdens (qarār) [auf dem Thron] bedürftig wäre, wo
war Allah (subḥānahu wa taʿālā) dann vor der Erschaffung des
Thrones? Möge Allah davon freigesprochen sein, erhaben und gross
ist
Er.
5. Wir bestätigen, dass der Qurʾān die Rede Allahs (subḥānahu wa
taʿālā) ist (Kalām Allah), unerschaffen, Seine Eingebung, Seine
Offenbarung und Seine Eigenschaft. Er [der Qurʾān] ist weder Er
[Allah (subḥānahu wa taʿālā)], noch ist er irgendetwas anderes als
Er, aber er ist in Wahrheit Seine Eigenschaft. Er ist in
Exemplaren/Kopien geschrieben, durch die Zungen rezitiert, in den
Brüsten bewahrt und dennoch nicht [einfach] ein [vergänglicher]
Zustand in ihnen3.
Buchstaben, Papiere und Schriften, sie alle sind erschaffen, da sie
die Ergebnisse der Handlungen von Geschöpfen sind. Die Rede Allahs (subḥānahu
wa taʿālā) ist unerschaffen, denn die Schrift, die Buchstaben,
Wörter und Verse sind für die Schöpfung erforderliche Mittel, die
ihr die Bedeutung des Qurʾān aufzeigen. Die Rede Allahs (subḥānahu
wa taʿālā) existiert in Seinem Wesen und ihre Bedeutung wird durch
diese Dinge [Buchstaben, Worte, Schriften etc.] verstanden. So ist
also jeder, der sagt, dass die Rede Allahs (subḥānahu wa taʿālā)
erschaffen ist, ein Ungläubiger gegenüber Allah (subḥānahu wa taʿālā).
Allah (subḥānahu wa taʿālā) wird angebetet. Er hört nicht damit auf,
zu sein, was Er (schon immer) war. Seine Rede wird rezitiert,
geschrieben und bewahrt, ohne dass sie von Ihm getrennt ist.
6. Wir bestätigen, dass der ausgezeichnetste Mensch dieser
Gemeinschaft nach unserem Propheten (ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam)
Abū Bakr Al-Ṣiddīq
ist, danach ʿUmar, danach ʿUthmān, danach ʿAlī, möge Allah (subḥānahu
wa taʿālā) mit ihnen allen zufrieden sein, wegen der Rede Allahs (subḥānahu
wa taʿālā): „Und die Vorausgeeilten, die Vorausgeeilten, das sind
diejenigen, die [Allah] nahegestellt sein werden“ (56:10-11). Jeder,
der vorausgehend war [im Kalifat], ist ausgezeichneter [im Rang].
Jeder gottesfürchtige Gläubige liebt sie und jeder erbärmliche
Heuchler hasst sie.
7. Wir bestätigen, dass das Geschöpf mit all seinen Taten, seinen
Bekenntnissen4
und seinem Wissen erschaffen ist. Wenn also derjenige, der die Tat
selbst vollbringt erschaffen ist, dann ist es erst recht so, dass
seine Taten auch erschaffen sind.
8. Wir bestätigen , dass Allah (subḥānahu wa taʿālā) die Geschöpfe
erschaffen hat und sie hatten keine Kraft, da sie schwach und gering
sind und Allah (subḥānahu wa taʿālā) ist ihr Schöpfer und Versorger
wegen der Rede Allahs (subḥānahu wa taʿālā): „Allah ist es, Der euch
erschaffen hat und dann hat Er euch versorgt; Dann wird Er euch
sterben lassen und dann wird Er euch wieder lebendig machen.“
(30:40) Vermögen zu verdienen ist rechtmässig, die Anhäufung
Vermögens aus rechtmässigen Quellen ist rechtmässig, die Anhäufung
Vermögens aus unrechtmässigen Quellen ist unrechtmässig. Die Leute
sind von drei Arten; [I] Der Gläubige, welcher aufrichtig in seinem
Glauben ist, [II] der Ungläubige, welcher stur in seinem Unglauben
ist und [III] der Heuchler, welcher schmeichelnd in seiner Heuchelei
ist. Allah (subḥānahu wa taʿālā) hat dem Gläubigen die guten Taten,
dem Ungläubigen das Glauben und dem Heuchler die Aufrichtigkeit
verordnet, wegen
der Rede Allahs (subḥānahu wa taʿālā): „O ihr Menschen, fürchtet
euren Herrn…“ (4:1/22:1), was bedeutet „O ihr Gläubigen! Seid
pflichtbewusst“, „O ihr Ungläubigen! Glaubt.“, „O ihr Heuchler! Seid
Aufrichtig.“
9. Wir bestätigen, dass die Fähigkeit mit der Tat kommt, weder vor
der Tat, noch nach der Tat; Denn wenn sie vor der Tat käme, wäre das
Geschöpf während [der Verrichtung] der Tat unabhängig von Allah (subḥānahu
wa taʿālā) und dies ist gegen die Bestätigung des [göttlichen]
Textes [des Qurʾāns], denn das Wort Allahs (subḥānahu wa taʿālā)
ist: „und Allah ist unabhängig [von Bedürfnissen], und all ihr seid
die Armen5.“
(47:38) Dass sie [die Fähigkeit] nach der Tat käme, würde unmöglich
sein, denn es würde das Erreichen einer Tat voraussetzen, ohne die
Fähigkeit oder die Kraft dazu.
10. Wir bestätigen, dass das Wischen über die Lederschuhe (Khuffain)
erlaubt ist, für den ortsansässigen ein Tag und eine Nacht und für
den Reisenden drei Tage einschliess
lich ihrer Nächte. Dies ist, weil
die [prophetische] Überlieferung (Ḥadīth) uns so erreicht hat. Wer
immer dies leugnet, für den wird der Unglaube befürchtet, denn es
(die Überlieferung) ist nahe daran, eine weit verbreitete
durchgehende Überlieferung (Al-Khabar Al-Mutawātir) zu sein6.
Das Verkürzen des Gebets (Qaṣr) und das Brechen des Fastens (Ifṭār)
während der Reise sind Ausnahmen gemäss des Textes des Buches [dem
edlen Qurʾān], wegen der Rede Allahs (subḥānahu wa taʿālā): „Und
wenn ihr durch das Land zieht, so ist es keine Sünde für euch, wenn
ihr das Gebet verkürzt“ (4:101), und bezüglich des Brechens des
Fastens das Wort Allahs (subḥānahu wa taʿālā) : „Und wer von euch
krank ist oder sich auf einer Reise befindet, soll eine Anzahl
anderer Tage nachfasten.“ (2:184)
11. Wir bestätigen, dass Allah (subḥānahu wa taʿālā) dem Schreibrohr
befahl, „Schreibe!“ Das Schreibrohr sagte deshalb, „Was soll ich
schreiben, mein Herr?“ Allah (subḥānahu wa taʿālā) sagte: „Schreib
auf, was auch immer passiert bis zum Tag [des Gerichts und] der
Auferstehung.“ Denn das Wort Allahs (subḥānahu wa taʿālā) ist: „Und
alles, was sie getan haben, steht in den Büchern. Und alles Kleine
und Grosse ist niedergeschrieben.“ (54:52-53)
12. Wir bestätigen, dass die Strafe im Grab existiert, daran besteht
kein Zweifel. Die Befragung durch Munkar und Nakīr ist Realität,
denn uns erreichte diesbezüglich eine [prophetische] Überlieferung.
Paradies und [Höllen]Feuer sind Realität, und beide sind erschaffen,
im Augenblick existierend, sie werden nicht zu Grunde gehen, noch
werden ihre Bewohner zu Grunde gehen, da das Wort Allahs (subḥānahu
wa taʿālā) in Bezug auf die Gläubigen ist: „Er [der Paradiesgarten]
ist für die Gottesfürchtigen bereitet“ (3:133) und in Bezug auf die
Ungläubigen: „[Höllen]Feuer, das für die Ungläubigen bereitet ist.“
(3:131) Allah (subḥānahu wa
taʿālā) hat sie beide zur Belohnung und Strafe erschaffen. Die Waage
(Mīzān) ist eine Realität, da das Wort Allahs (subḥānahu wa taʿālā)
ist: „Und Wir stellen die gerechten Waagen für den Tag der
Auferstehung auf.“ (21:47) Das Verlesen des Buches (der
Aufzeichnungen) ist Realität, wegen Seinem Wort: „Lies dein Buch! Du
selbst genügst heute als Abrechner über dich.“ (17:14).
13. Wir bestätigen, dass Allah (subḥānahu wa taʿālā) diese Seelen
nach dem Tod wieder zum Leben bringt und Er wird sie an einem Tag
erwecken, dessen Dauer fünzigtausend Jahre beträgt, zur Vergeltung,
Belohnung und der Vergabe der Rechte, wegen der Rede Allahs (subḥānahu
wa taʿālā): „und weil Allah (subḥānahu wa taʿālā) all diejenigen
auferwecken wird, die in den Gräbern sind.“ (22:7) Die Begegnung der
Bewohner des Paradies mit Allah (subḥānahu wa taʿālā) ist Realität,
[sie ist] ohne Modalität, Anthropomorphismus und ohne Richtung. Die
Fürsprache unseres Propheten Muḥammads (ṣallallāhu ʿalayhi wa sallam)
ist für jeden, der ein Gläubiger [und] vom Paradies ist, auch wenn
er ein Täter von gross
en Sünden war. ʿĀʾischah, Mutter der Gläubigen,
wird von Unzucht und allem, womit die Rawāfiḍ7
sie beschuldigen, freigesprochen. Die Bewohner des Paradieses
verbleiben ewig im Paradies und die Bewohner des [Höllen]Feuers
verbleiben ewig im [Höllen]Feuer, wegen dem Wort Allahs (subḥānahu
wa taʿālā) in Bezug auf die Gläubigen: „das sind Insassen des [Paradies]Gartens.
Ewig werden sie darin bleiben.“ (2:82) und in Bezug auf die
Ungläubigen: „das sind Insassen des Höllenfeuers. Ewig werden sie
darin bleiben.“ (2:81)
Quelle: http://ahlu-sunnah.de/attachments/380_Kitab_al-Wasiyya.pdf
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1 Überliefert
von Scheich Muḥammad Nabulsi. Fussnoten von Scheich Tahir Mahmood
Kiani
2 Dies bezieht
sich auch auf die Unterlassung, wo der Befehl sich auf die
Unterlassung einer Tat bezieht, wie etwa
das
Unterlassen des Konsums von Alkohol usw.
3 Den Zungen,
Kopien, Brüsten etc.
4 Dies schliesst
seine Bekundung des Glaubens ein, so wie auch andere Ausdrücke und
Äusserungen.
5 Und bedürftig
und abhängig von anderen.
6 Deren
Ablehnung der Ablehnung eines Verses des Qurʾān gleichkäme.
7 Eine extreme
Gruppe der Schīʿa.