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Nuh Ha Mim Keller (1995) - Übersetzer unbekannt.
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Frage: Ist es für einen Muslim erlaubt zu glauben, dass sich Allāh im wörtlichen Sinne im Himmel befindet? Antwort: NEIN. Die wörtliche Bedeutung von “im Himmel sein” würde heißen, Er befände sich in einer Seiner Schöpfungen, da der Himmel erschaffen wurde. Es ist nicht erlaubt daran zu glauben, Allāh wohne irgendeiner Seiner Schöpfungen inne (arabisch: ḥulūl) oder besetze diese, so wie es die Christen über Jesus oder die Hindus über ihre Avataras glauben. ...
Was ein menschliches Wesen wissen muss ist, dass Allāh “ġaniyy” (absolut frei von Bedarf) von allem das Er erschaffen hat, ist.
Er sagt dies ausdrücklich in Surah al-Ankabut:
“Denn Allāh ist der Weltenbewohner fürwahr unbedürftig.” (Qur'ān 29:6)
Allāh erwähnt dieses Attribut “Ghina” (frei sein von Bedürfnissen jeglicher Art) ungefähr 17 Mal im Qur'ān. Es ist ein zentraler Punkt Islamischer ´Aqida (Glaubens) und der Grund, warum es unmöglich ist, dass Allāh Jesus (Friede sei mit ihm) oder sonst wer mit einem Körper oder einer Form sein könnte: Körper brauchen Zeit und Raum, während Allāh frei von Bedürfnissen ist.
Das ist die ´Aqida des Qur'ān und Islamische Gelehrte behielten dies immer im Auge, wenn es um das Verständnis anderer qur'ānischer Suren oder Ahadiṯ ging.
Muslime richten ihre Hände gen Himmel, wenn sie Bittgebete (du'a) zu Allāh sprechen, weil der Himmel die Qibla für Bittgebete ist, und nicht weil Allāh dieser Richtung innewohnt –so wie die Kaaba die Qibla für das Gebet (Salat) ist, ohne dass die Muslime jedoch glauben, Allāh sei in dieser Richtung. Vielmehr hat Allāh die Qibla in Seiner Weisheit zu einem Zeichen (Ayah) muslimischer Einheit gemacht, genauso wie Er den Himmel als Zeichen seiner Erhabenheit und Seiner Unendlichkeit geschaffen hat, Bedeutungen die zum Herzen eines jeden Gläubigen kommen wenn sie sich nur den Himmel ansehen und zu Allāh beten.
Es war Teil der göttlichen Weisheit. diese Bedeutungen in der prophetische Sunna darzulegen, und damit die Herzen derer auszurichten, die es zum ersten Mal vernahmen, und sie zu der Erhabenheit und Unendlichkeit Allāhs durch das gröss te und fühlbarste materielle Zeichen zu führen: den sichtbaren Himmel, welchen Allāh über sie erhoben hat.
Viele von ihnen, besonders wenn sie neu aus der “Jahiliyya” (der vorIslamischen Periode von Ignoranz) kamen, waren geistig eng an physische, wahrnehmbare Gegebenheiten gebunden und hatten sehr wenig Vorstellungen von etwas anderem; dies spiegelte sich in ihren Gottheiten wider, welche ein Bild von dem (von dieser materialisierten Vorstellung) auf der Erde waren. Umar ibn al-Khattab erwähnt zum Beispiel, dass sie in der Jahiliyya Gottheiten aus Datteln schufen, und wenn sie später hungrig wurden, ass en sie diese ganz selbstverständlich.
Die Sprache des Gesandten Allāhs (Allāh segne ihn und schenke ihm Heil) bei der Überbringung der Erhabenheit Allāhs, des Höchsten, zu solchen Menschen war natürlich in einer Form, die sie ohne Schwierigkeiten verstehen konnten, und er gebrauchte das Bildnis des Himmels über ihnen.
Imam al Qurtubi, der berühmte Qur'ānexeget des 7./13.Jahrhunderts sagt:
Die Ahadiṯ zu diesem Thema sind zahlreich, gründlich bestätigt (sahih), und weit verbreitet, und deuten auf die Erhabenheit Allāhs hin, unzweifelhaft für einen jeden, mit Ausnahme eines Atheisten oder hartnäckigen Ignoranten. Deren Absicht ist es, Allāh zu ehren und Ihn über alles Niedere und Unedle zu verherrlichen, Ihn durch Erhabenheit und Gröss e zu charakterisieren, und nicht durch das Sein in Orten, bestimmten Richtungen oder innerhalb von Grenzen, da dies die Eigenschaften physischer Körper sind.“
(vgl. Al-Jami li Ahkam al-Qur'an, 20 Bd., Kairo 1387/1967, Reprint (20 Bände in 10). Beirut: Dar Ihya al-Turath al-Arabi, o.D., 18.216).
In diesem Zusammenhang wird ein Hadiṯ von Malik in seiner Muwatta und von Muslim in seinen Ahadiṯ überliefert, in dem Muawiya ibn al-Hakam zum Propheten (Allāh segne ihn und schenke ihm Heil) kam und sagte: “Ich komme gerade eben aus der Jahiliyya, und nun hat Allāh den Islam gebracht”, und er fuhr fort, über verschiedene Praktiken der Jahiliyya zu fragen, bis er am Schluss sagte, dass er seine Sklavin geschlagen hatte und fragte, ob er sie freilassen soll, da dies eine Pflicht war, sollte sie Gläubige sein. Der Prophet (Allāh segne ihn und schenke ihm Heil) verlangte, dass man sie zu ihm bringe und er fragte sie dann: “Wo ist Allāh?” und sie antwortete: “Im Himmel (Fi al-sama)”, woraufhin er sie fragte: “Wer bin ich?” und sie sagte: “Du bist der Gesandte Allāhs”, auf das hin er sagte “Lasst sie frei, denn sie ist eine Gläubige.”
(vgl. Sahih Muslim, 5 Bd., Kairo 1376/1956. Reprint. Beirut: Dar al-Fikr, 1403/1983, 1.382:538).
Imam Nawawi sagt zu diesem Hadiṯ:
“Das ist einer der Hadiṯ der Attribute, zu welchen die Gelehrten zwei Meinungen vertreten. Die erste ist, ohne über die Bedeutung zu diskutieren daran zu glauben, während man gleichzeitig glaubt “Nichts ist Ihm gleich” (Qur'ān 42:11), und dass Er erhaben ist, irgendeine Eigenschaft Seiner Geschöpfe zu besitzen.
Die zweite ist, es bildlich in einer passenden Art zu erklären, und Gelehrte die diese Meinung vertreten beweisen, dass das Argument des Hadiṯ war, das Sklavenmädchen zu testen: War sie eine Monotheistin, die bestätigt, dass der Erschaffer, der Anordner, der Ausführer, Allāh alleine ist und dass Er derjenige ist, den man während einem Gebet (Du'a) aufruft, wenn man sich gen Himmel wendet – so wie diejenigen, die das Gebet (Salat) in Richtung Kaaba verrichten, da die Kaaba die Qibla jener ist, die beten – oder war sie eine Anbeterin von Götzen, welche vor einen gestellt wurden? Als sie sagte “Im Himmel”, war es offensichtlich, dass sie keine Götzenanbeterin war.
(vgl. Sahih Muslim bi Sharh al-Nawawi, 18. Bd., Kairo 1349/1930. Reprint (18 Bd in 9). Beirut: Dar al-Fikr, 1401/1981, 5.24).
Es ist bemerkenswert, dass Imam Nawawi ein wörtliches Verständnis des Hadiṯ als mögliche Position eines Gelehrten überhaupt nicht erwähnt. Diese Gegebenheit überrascht heute viele Muslime, die sich einbilden, es ginge darum, einen einzigen überlieferten, authentischen (Sahih) Hadiṯ als Beweis in Islamischen Glaubensgrundlagen (Aqida) anzunehmen, da dieser Hadiṯ so einer ist, den man im arabischen “ahad” nennt (überliefert mit nur einer Überlieferungskette), im Gegensatz zu “mutawatir” (überliefert von so vielen Überlieferungsketten, dass eine Fälschung unmöglich ist).
Und doch steht dies hier gar nicht zur Diskussion, da Hadithe dieser Sorte als Beweis im Bereich der Glaubenslehre von traditionellen Gelehrten nur unter einer Bedingung akzeptiert werden:
Dass die im Hadiṯ erwähnten Glaubensgrundlagen “salīmun min al-muʿāraḍa” (frei von sich widersprechenden Hinweisen) sind.
Diese Bedingung wird in diesem besonderen
Hadiṯ in einer Vielzahl von Punkten nicht
erfüllt. Erstens haben wir mehrere
authentische Überlieferungen dieser im Hadiṯ
erwähnten Begebenheit, die sich sehr von der
“Wo ist Allāh? – Im Himmel”- Version
unterscheiden. In einer davon heiss
t es bei
Ibn Hibban in seinem Sahih, mit einer
gut-beglaubigten Überlieferungskette (Sahih),
dass der Prophet (Allāh segne ihn und
schenke ihm Heil) das Sklavenmädchen gefragt
hat: “Wer ist dein Gott?” und sie sagte: “Allāh”,
woraufhin er sie fragte: “Wer bin ich?” und
sie sagte: “Du bist der Gesandte Gottes”,
nachdem er anordnete: “Lasst sie frei, sie
ist eine Gläubige!”
(vgl. Al-Ihsan fi taqrib Sahih Ibn Hibban,
18 Bd., Beirut: Muassasa al-Risala,
1408/1988, 1.419:189)
In einer anderen Version, überliefert von Abd al-Razzaq mit einer stark beglaubigten Überlieferungskette (Sahih), sagte der Prophet (Allāh segne ihn und schenke ihm Heil) zu ihr: “Bezeugst du, dass es keinen Gott gibt auss er Allāh?” und sie bejahte. Er sagte: “Bezeugst du, dass ich der Gesandte Allāhs bin?” und sie sagte ja. Er fragte: “Glaubst du an die Auferstehung nach dem Tod?” und sie sagte ja. Und er meinte: “Lasst sie frei!” (vgl. Al-Musannaf, 11 Bd., Beirut: al-Majlis al-Ilmi, 1390/1970, 9.175:16814).
In anderen Versionen kann das Sklavenmädchen kaum sprechen und zeigt nur gen Himmel. Ibn Hajar al-Asqalani sagte über die verschiedenen Versionen dieses Hadiṯ: “Es gibt einen gross en Widerspruch im Wortlaut.”
(vgl. Talkis al-habir, 4. Bd. In 2, Kairo: Maktaba al-Kulliyat al-Azhariyya, 1399/1979, 3.250).
Wenn ein Hadiṯ mehrere widersprüchliche Versionen hat, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr gross , dass er nur in Bezug auf das Verständnis von einem oder mehreren Überlieferern fuss t (riwaya bi al-ma'na), und daher ist eine der Versionen nicht zur Herstellung eines Punktes der ´Aqida angebracht.
Zweitens ist die letztere Betrachtungsweise besonders anwendbar in Bezug der Fragestellung, da der Prophet (Allāh segne ihn und schenke ihm Heil) ausdrücklich die Säulen des Islamischen Glaubens (Iman), in einem Hadiṯ überliefert von Sahih Muslim, einzeln aufgeführt hat, als er die Fragen des Erzengels Gabriel beantwortete.
In diesem heiss t es, wahrer Glaube (Iman) ist, an Allāh, Seine Engel, Seine Bücher, Seine Gesandten, den Jüngsten Tag des Gerichts und an die Vorherbestimmung (Qadr) und an das Gute und Schlechte darin zu glauben (vgl. Sahih Muslim, 1.37:8) – und er erwähnte gar nichts in Bezug darauf, dass Allāh“im Himmel” wäre.
Wäre es ein entscheidender Test eines Muslims in Bezug auf Glaube oder Unglaube (so wie es der Hadiṯ “Im Himmel…” anscheinend andeutet), so hätte es eine Pflicht für den Propheten (Allāh segne ihn und schenke ihm Heil) dargestellt, es in dem erwähnten Hadiṯ anzuführen, deren Hauptgrund es ist, präzise anzugeben, was Iman genau ist.
Drittens, wenn man die Bedeutung des Hadiṯ wörtlich nimmt, wie es heiss t “Allāh wäre im Himmel”, dann steht es im Widerspruch zu anderen, gleichrangigen Sahih Ahadiṯ, die vermutlich das gleiche Recht haben, wörtlich genommen zu werden – wie zum Beispiel der Hadiṯ Qudsi, überliefert von al-Hakim, wo Allāh der Erhabene sagt:
“Ich bin mit Meinem Diener wann immer er sich Meiner erinnert und seine Lippen bewegen sich mit Mir!”
(vgl. al-Mustadrak ala al-Sahihayn, 4. Bd, Hyderabad, 1334/1916. Reprint (mit Index Bd.5). Beirut: Dal al-Marifa, ohne Datum, 1.496).
Das ist ein Hadiṯ, über den al-Hakim sagt, er sei authentisch (Sahih), was al-Dhahabi bestätigt.
Oder solche wie der Hadiṯ, überliefert von al-Nasai, Abu Dawud und Muslim, dass “der Diener am nahesten an seinen Herrn ist, wenn er in der Niederwerfung ist.”
(vgl. Sahih Muslim, 1.350:482)
“Allāh ist im Himmel” würde bedeuten, dass man Ihm am nahesten während dem aufrechten Stehen ist.
Ein anderer Beleg ist der Hadiṯ, der von Bukhari in seinem Sahih überliefert wird, in welchem der Prophet (Allāh segne ihn und schenke ihm Heil) das Spucken nach vorn während des Gebetes verboten hat, denn sobald eine Person betet, ist “sein Herr vor ihm” (vgl. Sahih al-Bukhari, 1.112:406).
Schliess lich wurden in den Ahadiṯ über die Miʿraj (nächtlicher Aufstieg) dem Propheten (Allāh segne ihn und schenke ihm Heil) alle der sieben Himmel (samawat) durch Gabriel gezeigt, und es ist nicht erwähnt, dass sich Allāh in einem davon befindet.
Viertens: Die wörtliche Interpretation von “Allāh ist im Himmel” widerspricht zwei Fundamenten Islamischer ´Aqida, die durch den Qur'ān festgelegt wurden.
Das erste von ihnen ist Allāhs Attribut “mukhalafa li al-hawadith” (das nicht ähneln von Geschöpfen in irgendeiner Art), wie Allāh es in Surah al-Shura im Qur'ān sagt: “Nichts ist Ihm gleich.” (Qur'ān 42:11), und wäre Er wörtlich “im Himmel”, dann gäbe es eine unzählbare Anzahl von Dingen, die Ihm in Bezug auf eine Höhe, Position, Richtung und so weiter ähneln zu haben. Das zweite Fundament dem es wie oben erwähnt widerspricht, ist Allāhs Attribut von “ghina” (absolut frei sein von irgendwelchen Bedürfnissen von der Schöpfung), welches Er in zahlreichen Versen im Qur'ān bekräftigt.
Es ist unmöglich, dass Allāh eine verkörperte Einheit darstellt, denn Körper brauchen Raum und Zeit, während Allāh absolut kein Bedürfnis nach irgendwas hat.
Fünftens, die wörtliche Interpretation von “im Himmel” setzt voraus, dass der Himmel Allāh von allen Seiten umfasst, sodass Er kleiner wäre als es selbst, und es wäre gröss er als Allāh, was offenkundig falsch ist.
Aufgrund von diesen und anderen Gründen haben es Islamische Gelehrte als verpflichtend angesehen, den oben angeführten Hadiṯ und andere Texte mit ähnlichem Inhalt in Bezug auf den Gebrauch der arabischen Sprache, im übertragenen Sinne zu interpretieren.
Erwägen wir den qurānischen Vers: “Glaubt ihr in Sicherheit davor zu sein, dass Wer im Himmel ist, die Erde mit euch versinken lässt, sodass sie sich dann hin und her bewegt?” (Qur'ān 67:16), für welchen hier die folgenden Beispiele von traditionellem Tafsir (Qur´ānkommentar), angeführt werden können:
Al-Qurtubi: Die gross en Gelehrten meinen, dass es (“im Himmel”) bedeutet, “Glaubt ihr in Sicherheit davor zu sein, dass Wer über dem Himmel ist...” – so wie Allāh sagt, “Nun zieht im Land...umher” (Qur'ān 9:2) es bedeutet, darüber zu reisen – nicht über dem Himmel in physischer oder spezifischer Weise, sondern im Sinne von allmächtiger Kraft und Kontrolle. Ein anderer Standpunkt ist, dass es bedeutet “Glaubt ihr in Sicherheit davor zu sein, dass Wer über dem ('ala) Himmel...” so wie es gesagt wird, dass “Dieser und jener ist über dem Irak und den Hidschas” bedeutet, dass er Hauptmann und Kommandant von ihnen ist (vgl. al Jami li ahkam al-Qur'an, 18.216).
Al-Shirbini al-Khatib: Es gibt verschiedene interpretatorische Ansichten zu "Wer im Himmel ist", von denen eine bedeutet: "Er, Dessen Macht im Himmel ist", weil es der Verweilort der Engel ist, Sein Thron, Sein Kursi, die bewachte Schreibtafel befinden sich dort; und von dort aus werden Seine Verordnungen, Seine Bücher, Seine Anordnungen und Verbote herabgesandt. Eine zweite interpretative Möglichkeit ist, dass "Wer im Himmel ist" in der sprachlichen Konstruktion etwas weglässt-- in anderen Worten: "Fühlt ihr euch sicher vor dem Schöpfer vor dem, was im Himmel ist" als Hinweis auf die Engel, die im Himmel weilen, da an sie die Befehle zur Verwaltung göttlicher Gnade oder göttlicher Strafe ergehen
(vgl. al Siraj al Munir. 4 Bd. Bulaq 1285/1886. Reprint. Beirut: Dar al Marifa, o.D., 4.344).
Fakhr al-Din al-Razi: "Derjenige, der im Himmel ist" mag den Engel meinen, der autorisiert ist, göttliche Strafen zuzufügen; das ist Gabriel (Friede sei mit ihm), die Worte "die Erde mit euch versinken lässt" bedeuten: "mit Allāhs Befehl und Erlaubnis" (vgl. Tafsir al Fakhr al Razi, 32 Bd., Beirut 1401/1981. Reprint (32 Bd. in 16). Beirut: Dar al Fikr, 1405/1985, 30.70).
Abu Hayyan al-Nahwi: Der Kontext dieser Worte mag sich an die Überzeugungen der Angesprochenen (die Ungläubigen) wenden, die Anthropomorphisten waren, entsprechend ihren Auffassungen. Sodass die Bedeutung lauten würde: "Fühlt ihr euch sicher vor Jenem, von Dem ihr glaubt, dass Er im Himmel ist?" --während Er erhaben über jeden Ort ist" (vgl. Tafsir al Nahr al Madd min al Bahr al Muhit, 2 Bd. in 3. Beirut: Dar al Janan und Muassasa al Kutub al Thaqafiyya, 1407/1987, 2.1132).
Qadi Iyad: Es gibt Einigkeit unter Muslimen, ihren Rechtsgelehrten, ihren Hadiṯgelehrten, ihren Theologen beider Gruppen - den einen mit selbstständigen Argumentations-fähigkeiten und den anderen, die diesen einfach nur folgen - dass die schriftlichen Beweise, die Allāh "im Himmel" beschreiben, so wie Seine Worte es tun: "Glaubt ihr in Sicherheit davor zu sein, dass Wer im Himmel ist, die Erde mit euch versinken lässt, sodass sie sich dann hin und her bewegt?" usw. nicht im wörtlichen Sinne (dhahir), den sie andeuten, aufzufassen sind, sondern vielmehr haben es alle Gelehrten anders als im wörtlichen Sinne interpretiert (vgl. Sahih Muslim bi Sharh al Nawawi, 5.24).
Wenden wir uns nun einem finalen Beispiel zu, einem Hadiṯ, überliefert von Muslim, in dem der Prophet (Allāh segne ihn und schenke ihm Heil) gesagt haben soll:
Euer Herr, gesegnet und erhaben ist Er, steigt jedes letzte Drittel der Nacht in den Himmel dieser Welt herab und sagt: "Wer betet Mich an, auf dass Ich ihm antworte? Wer bittet Mich um etwas, auf dass Ich es ihm geben möge? Wer sucht nach Meiner Vergebung, auf dass Ich ihm vergebe?" (vgl. Sahih Muslim, 1.521:758)
Wenn wir für einen Moment über diesen Hadiṯ nachdenken, handelt es sich hier nicht über 'Aqida, sondern er versucht einen eher praktischen Hinweis zu geben -dass wir nämlich im letzten Drittel der Nacht etwas tun sollen: aufstehen und beten.
Dies ist der Grund warum Imam Nawawi diesen Hadiṯ, als er dem dargestellten Kapitel einen Namen zur Überschrift gab, unter die Sparte: "Das Anerziehen des Verlangens, Bittgebete zu sprechen und Gottesgedenken (Dhikr) im letzten Drittel der Nacht zu machen und das Antworten darin", gab.
Zur Bedeutung des Wortes "herabsteigen" im Hadiṯ sagt Imam Nawawi:
Das ist ein "Hadiṯ der Attribute", und es gibt dazu zwei Ansichten, so wie es vorher im "Buch des Iman" dargestellt wurde. Zusammenfassend, die erste Ansicht, welcher die Schule der Mehrheit der ersten Muslime und einige Theologen folgen, ist die, dass man daran glauben soll, dieser Hadit sei in einer Art, die Allāh entspricht wahr, während hingegen die wörtliche Bedeutung, die uns bekannt und für uns anwendbar ist, darin nicht beinhaltet ist, ohne über die tatsächliche Bedeutung zu diskutieren, weil wir daran glauben, dass Allāh über alle Attribute der Schöpfung erhaben ist, über das Ändern der Position, über Bewegung, und über alle anderen Attribute der Schöpfung.
Die zweite Ansicht, welche die Schulen der meisten Theologen von allen Gruppen der ersten Muslime (Salaf), und die von Malik und al Awzai überliefern, ist die, dass solche Ahadiṯ im übertragenden Sinne und ihrem Kontext entsprechend interpretiert werden sollen. Nach dieser Denkschule wird der Hadiṯ auf zwei Arten interpretiert:
Die erste ist die Interpretation von Malik ibn Anas und anderen, dass es ("euer Herr steigt herab") bedeutet, "Seine Gnade, Anordnungen und die Engel steigen herab", so wie gesagt wird "der Sultan tat dies und jenes", obwohl es seine Gefolgsleute waren, die seine Befehle ausführten.
Die zweite ist eine Metapher, welche Allāhs Anliegen um denjenigen, der Bittgebete spricht, andeuten soll, durch Beantwortung und Güte ihm gegenüber. (vgl. Sahih Muslim bi Sharh al Nawawi, 6.3637)
Zum obigen Hadiṯ sagt der Hadiṯgelehrte Ali al-Qari zu "Allāhs Herabsteigen":
Du weiss t, dass Malik und al Awazai, welche unter den Gröss ten der ersten Muslime waren, beide detaillierte, symbolische Interpretationen zu dem Hadiṯ gaben...Ein anderer von ihnen war Jafar al Sadiq. Fürwahr, eine ganze Gruppe von ihnen (den frühen Muslimen), als auch spätere Gelehrte, sagten, dass wer auch immer daran glaubt, dass Allāh in einer bestimmten physischen Richtung sei, er ein Ungläubiger sein, so wie es Al Iraqi explizit dargestellt hat, behauptend dass dies auch die Positionen von Abu Hanifa, Malik, al-Shafi'i, al-Ashari und al-Baqillani waren. (vgl. Mirqat al mafatih: Sharh mishkat al masabih. 5 Bd., Kairo 1309/1892. Reprint. Beirut: Dar Ihya al-Turath al Arabi, o.D., 2.137).
Es ist wichtig zu erwähnen, dass al-Iraqi ein Hafiz (Hadiṯmeister - jemand der über 100.000 Ahadiṯ auswendig kann) war, während Ali al-Qari eine Autorität in Ahadiṯ war, welcher Referenzwerke niedergelegt hat, die auch heute noch zur Identifizierung gefälschter Ahadiṯ verwendet werden. In anderen Worten, jeder hatte die höchsten Berechtigungen, die Überlieferungsketten ihrer Standpunkte zu beglaubigen. Aus diesem Grund ist ihre Überlieferung zur Ansicht über den Unglauben jener, die Allāh eine Richtung zuschreiben, von hohem Gewicht.
Aber vielleicht [*...] ist es angebrachter zu sagen, dass heutige Muslime, die daran glauben, Allāh sei irgendwie "da oben", nicht als Ungläubige zu bezeichnen sind. Für sie gilt die Shubha (zweifelhafter Umstand), da wohlhabende Gegenden in unserer Zeit aggressiv die Bid'a des Anthropomorphismus forcieren. [**...]
Diese Bid'a wurde in den früheren Jahrhunderten einer kleinen Handvoll Hanbalis zugeschrieben, welche immer wieder durch die Gelehrten der Ahlu-Sunna widerlegt wurden, wie z.B. durch Abd al-Rahman ibn al-Jawzi (gest. 597/1201), welcher seine "Mit-Hanbalis" in seinem „dafʿ šubah al-tašbīh bi-akaff al-tanzīh“ (Widerlegung der anthropomorphistischen Andeutungen zuhanden von göttlicher Transzendenz) mit folgenden Worten ansprach:
Wenn ihr gesagt hättet "Wir lesen die Ahadiṯ und verbleiben stumm", dann hätte euch keiner verurteilt. Das Schändliche ist, dass ihr sie wörtlich interpretiert. Führt nicht heimlich in die Maḏhab dieses gerechten, frühen Muslim (Ahmad ibn Hanbal) das ein, was nicht dazu gehört! Ihr habt diesen Maḏhab in schändliche Ungnade gehüllt, bis niemand mehr „Hanbali“ sagen kann, ohne „Anthropomorphist“ zu sagen (vgl. „dafʿ šubah al-tašbīh bi-akaff al-tanzīh“. Kairo o.D. Reprint. Kairo: al Maktaba al Tawfiqiyya, 1396/1976, 2829).
Diese Ansichten überlebten offenbar einige Jahrhunderte in Khorasan, Afghanistan, und in weiteren Orten im Osten, da Imam al Kawthari feststellt, dass der Hanbali Ibn Taymiyya (gest. 728/1328) die Details von ihnen aus Manuskripten über Sekten zusammengesammelt hat, nachdem Bibliotheken von Gelehrten mit Karawanen vor den Mongolen nach Damaskus weiter östlich fliehend strömten. Er las sie ohne einen scharfsinnigen Lehrer, der ihn leiten konnte, fing an zu glauben, was er daraus verstand und fuhr damit fort, ein Fürsprecher für diese Positionen in seinen eigenen Werken zu werden (vgl. al Kawthari, al Sayf al saqil fi al radd ala Ibn Zafil. Kario, 1356/1937. Reprint. Kario: Maktaba al Zahran, o.D. 56).
Er wurde für diese Ansichten mehrere Male vor seinem Tod weggesperrt, die Gelehrten von Damaskus bezichtigten ihn des Anthropomorphismus (vgl. al Asqalani, al Durar al kamina fi ayan al mia al thamina, 4 Bd. Hyderabad 134950/193031. Reprint. Beirut: Dar Ihya al Turath al Arabi, o.D.1.156).
Die Schriften wurden von Gelehrten wie Abu Hayyan al Nahwi (745/1344), Taqi al Din Subki (756/1355), Bad al Din ibn Jamaa (733/1333), al Amir al Sanani, Autor des Subul al Salam (1182/1768), Taqi al Din al Hisni, Autor des Kifayat al Akhyar (829/1426) und Ibn Hajar al Haytami (974/1567) in Widerlegung seiner 'Aqida verfasst, und sie blieb für die nächsten 400 Jahre von Muslimen ohne Beachtung, bis zur Wahhabi-Bewegung des 18. Jahrhunderts, welche Ibn Taymiyya in seiner Auslegung der ´Aqida folgten, und ihn zu ihrem "Shaykh al Islam" machten. Erst mit dem Buchdruck in der arabischen Welt erblickten die Bücher (und die Glaubensgrundlagen dieser Sekte) von Ibn Taymiyya das Licht der Welt, als ein reicher Händler aus Dschidda den Druck seiner „Minhaj al Sunnah“ und anderer Werke der ´Aqida im Ägypten des letzten Jahrhunderts in Auftrag gab, und diese Zeit als Salafismus oder "Rückkehr zum FrühIslam" wiederbelebte.
Seitdem wurden sie in allen Teile der
muslimischen Welt verbreitet, unterstützt
durch die reichliche Finanzierung von ein
oder zwei modernen muslimischen Ländern,
deren Einsatz Moscheen mit Büchern,
Pamphleten und jungen Männern füllte, die
diese Ideen weitertragen (mitsamt Ibn
Taymiyyas fraglichen - oder gar nicht
vorhandenen - Überlieferungsketten) und sie
sogar den Imamen der frühesten Muslime
zuschreiben.
Mein Standpunkt, in Bezug darauf ob man
Muslime als Gläubige oder Ungläubige
betrachten soll, ist derjenige, dass dieses
Geld den Einfluss und die Propaganda kaufen
kann, um die Nacht zum Tag zu machen. Somit
gibt es vielleicht für zeitgenössische
Muslime eine Entschuldigung dafür - so lange
bis sie die Möglichkeit haben zu lernen,
dass der Gott des Islam metaphysisch darüber
liegt, ein sehr gross
er Mann zu sein, genauso
wie er metaphysisch darüber liegt, Raum und
Zeit unterworfen zu sein -was nichts weiter
als zwei seiner Schöpfungen sind.
Zusammenfassend zur Antwort auf Ihre oben gestellte Frage:
Gelehrte nehmen die Primärtexte aus dem Qur´ān wörtlich, so lange bis kein triftiger Grund besteht, dies nicht zu tun. Im Falle Allāh sei "im Himmel" oder "steige zum Himmel herab", gibt es dafür viele Gründe.
Erstens, macht es eine wörtliche Auffassung des Textes unmöglich, ihn mit vielen anderen gründlich durchforschten Texten über Allāh, wie Er mit seinem Diener ist, wenn dieser Dhikr macht, "näher zu ihm als die Hauptschlagader" (Qur'ān 50:16), "vor ihm wenn er betet", "am nahesten zu ihm während der Niederwerfung", "im Himmel" während das Sklavenmädchen gefragt wurde, "mit dir wo immer du bist" (Qur'ān 58:4), usw. in Verbindung zu bringen.
Diese hängen nicht zusammen, wenn sie
allesamt wörtlich aufgefasst werden, und sie
werden nur dann frei von Gegensätzen, wenn
sie so verstanden werden, wie es Mali, al
Awzai und al Nawawi (wie oben erwähnt) getan
haben.
Zweitens hat der Prophet (Allāh segne ihn
und schenke ihm Heil) den Glauben, den jeder
Muslim haben muss, im Gabriel-Hadiṯ
(überliefert im Sahih Muslim und anderen)
detailliert erklärt, und er hat keine
Anmerkung darüber gemacht, dass Allāh "im
Himmel" (oder sonst wo) ist.
Drittens, Allāhs Weilen "im Himmel" so wie die Vögel, Wolken, usw. ist ein „im Himmel“ im wörtlichen Sinne und widerspricht der ´Aqida des Qur'ān, wo es heiss t "und nichts ist Ihm gleich" (Qur'an 42:11).
Viertens, die Vorstellung von Allāhs Sein in bestimmten Orten widerspricht der ´Aqida, die in 17 Versen des Qur'ān angeführt wird, dass Allāh frei von jeglichen Bedürfnissen nach etwas sei, während Dinge die einen Platz einnehmen, zweierlei brauchen: Raum und Zeit.
Diese Gründe sind nicht vollständig, sondern beabsichtigen die gestellte Frage zu beantworten, indem sie die ´Aqida und Grundlagen der traditionellen Ulama in der Interpretation solcher Texte, über die wir sprechen, aufzeigen.
Sie zeigen lediglich, wie weit entfernt es vom traditionellen Islam ist, wörtlich zu glauben, Allāh sei "im Himmel", und warum es für einen Muslim nicht erlaubt ist, an eine derartige Auslegung zu glauben.
Und Allāh allein gibt Erfolg
Text entnommen: http://madrasah.de/leseecke/glaubenslehre-aqida/ist-es-f%C3%BCr-einen-muslim-erlaubt-zu-glauben-dass-sich-all%C4%81h-im
Bemerkungen:
* [: ... wenn es sich um Kinder, geistig Behinderte oder solche, die sich nur aus sprachlicher Unfähigkeit irrtümlich falsch ausdrücken und in ihrem Herzen nicht wirklich glauben, was ihre Worte objektiv zum Ausdruck bringen ... ]
** [ ... sind etwa die Grenzen zwischen Islam und Kufr wegen einiger wohlhabenden Gegenden verschoben worden ? ... ]
Bemerkung von Muhammad Abu Bakr Müller